Neuheiten 2013 (2) – 3M™ ESPE™ Adstringierende Retraktionspaste

von Hans – Willi Herrmann
1334069206-120405-abb-1-zu-testanwender-fuer-produktneuheitjpg498 DM legte ich Ende 1990 auf den Tisch für meine im Quintessenz – Verlag erschienene „Gerade mit dem  Studium fertig ich bin niegelnagelneu in der Zahnmedizin“- Bibel.

Viel Geld für einen Ausbildungsassistenten mit umgerechnet 1750 Euro Brutto- Monatslohn, aber Martignoni´s und Schönenberger´s „Präzision und Kronenkontur in der restaurativen Zahnheilkunde „beeindruckte mich durch den hohen Grad an Präzision bei der Anfertigung von festsitzendem Zahnersatz und vor allem durch unglaublich gute hochvergrößerte klinische Fotos von Zahnfleischsäumen und Kronenrändern, mit Hilfe eines Operationsmikroskopes und einer analogen (was sonst damals) Spiegelreflexkamera angefertigt.

Zum Darstellung der Kronenränder kam in diesem Buch eine Art feinporiger rosa „Bauschaum“, so sah es zumindest aus, zur Anwendung. Der offensichtlich, nachdem er in den Sulcus eingebracht wurde, aushärtete, sich infolgedessen ausdehnte und dadurch eine Freilegung des Sulcusraumes des und darin befindlichem Präparationsrandes herbeiführte.

Coole Nummer.
Hatte nur einen Nachteil.
Ich habe kein einziges Mal im Dentalhandel eine solche Paste irgendwo gefunden, keinen Hinweis, von Bezugsquellen oder gar anderen Anwendern keine Spur.

Vor ein paar Jahren dann kam (war es von Acteon ?) ein zumindest prinzipiell entfernt ähnliches Präparat auf den Markt.

Eine Paste – mittels einer Kanüle in den Sulcus appliziert führt eine blutstillende Wirkung herbei und ermöglicht so eine optimale Abformung.

So zumindest die Theorie.
Wenigstens war das Produkt erhältlich, wurde, wie wir das nunmal so kennen, euphorisch beworben.

Ich habe es nicht ausprobiert.
Keine Ahnung, was meine grundsätzlich vorhandene Neugier soweit abbremste. Vermutlich die Tatsache, dass das Präparat zwar blutstillend, aber nicht per se sulcuserweiternd wirken sollte. Das übliche Prozedere des Fadenlegens bliebe mir also vermutlich nicht erspart, eine adäquate Blutstillung war dank Astringdent und Dentalinfusor- Applikator (beides Ultradent) zum damaligen Zeitpunkt schon viele Jahre für mich kein Thema mehr.

Wo läge also der Vorteil ?
Mal abgesehen von einer möglichen negativen Interaktion des Materials mit unserem Impregum- Abdruckmaterial.

Wollte/sollte man das riskieren ?
Ich wollte nicht.

2013 fiel mir dann das 3M Espe Produkt die Hände.
Gleiches Wirkprinzip.
Gleiches Material ?

Ich habe keine Ahnung.
Es  liegt als Karpule vor und passt in unsere Kompositspritzen.
Wäre also betriebsbereit.
Für den Fall eines Falles.
Der kam irgendwann. Sie kennen das. Mühsam Doppelfäden gelegt, einen dünnen astringdentgetränkten, der im Sulcus verbleibt während der darüberliegende dickere ungetränkte Baumwollfaden unmittelbar vor Abformung entfernt wird. Manchmal gehen beide Fäden raus. In einem solchen Fall habe ich bislang einen neuen dünnen Faden gelegt. Und nun – stattdessen die Paste appliziert. Wie das geht ? Mit der dünnen Kanülenspitze die Paste in den Sulcus einbringen. Circulär und am besten ohne abzusetzen das Material applizieren.

Ein wenig Übung ist notwendig, aber, wenn man es einmal gemacht hat, dann weiss man schon worauf man zukünftig zu achten hat und dann läufts reibungslos.

2 Minuten warten. Dann die Paste mittels Wasserspray aus der Mehrfunktionsspritze von der Behandlungseinheit wegspülen. Nicht zu fest sprayen, sonst blutet es doch wieder. Auch das ist ein Erfahrungswert und wenn man das raus hat, dann kann man in der Tat auf diese Weise eine absolute Blutstillung erzielen.

Erstes Ergebnis – funktioniert.
Negative Interaktionen mit dem Abformmaterial (in unserem Falle Impregum) habe ich bislang nicht beobachtet.

Daraufhin wurde nachfolgend in Fällen, in denen eine Blutstillung mit den bisherigen Verfahren (Doppelfaden, Astringdent, Elektrotom) nicht bei der Erstabformung möglich war, die Retraktionspaste zum Einsatz gebracht.

Das kam nicht so häufig vor, funktionierte dann jedoch zufriedenstellend- eigentlich gut.

Kurze Zwischenfrage – Hat das Material eigentlich eine Zulassung für den Einsatz als blutstillendes Mittel in der Knochenchirurgie ? Dort würde sich der Einsatz anbieten und ich könnte mir vorstellen, dass es zum Beispiel bei der Wurzelspitzenresektion positiv wirkend tätig werden  könnte.

Der gegenwärtige Status in unserer Praxis sieht wie folgt aus: Ergänzende Maßnahme, falls die bewährten Verfahren keine optimalen Ergebnisse liefern können. Im Sinne einer willkommenen Ergänzung.
Würde ich auf meine bisherige Vorgehensweise zugunsten des Materials verzichten wollen? Gegenwärtig nicht, denn es fehlt mir die retrahierende oder sagen wir besser sulkuserweiterende Komponente.

Allerdings – nachdem die kostenlos zur Verfügung gestellten Testkarpulen aufgebraucht waren, haben wir das Material gekauft, weil ich auch zukünftig in bestimmten klinischen Situationen mit diesem Material arbeiten möchte.

 

Disclaimer: Die Firma 3 M Espe hat uns 9 Karpulen des Materials kostenfrei zur Verfügung zum Ausprobieren zur Verfügung gestellt.

 

9 Gedanken zu „Neuheiten 2013 (2) – 3M™ ESPE™ Adstringierende Retraktionspaste

  1. Hallo Ha-Wi,

    ich verwende die Retraktionspaste schon eine ganze Weile und beurteile sie ähnlich wie Du. Den Einsatz bei einer WSR stelle ich mir schwierig vor, weil nach meiner Erfahrung das wirklich vollständige Entfernen der Paste oft nur durch Einsatz eines alkoholgetränkten Wattepellets zusätzlich zum Absprühen gelingt. Und selbst dann bleiben manchmal Reste haften, was in der Chirurgie sicher nicht gewünscht wäre. Ansonsten sehr hilfreiches Material, bei mir in Verbindung mit dem Elektrotom Standard.

    Herzliche Grüße

    Bernard

  2. Hallo,
    ich bin ein großer Freund von Expasyl, ist etwas unhandlich hat aber bei stärkerer Blutung einen – in meinen Augen – besseren Effekt.
    Möchte beide Produkte aber nicht missen!
    Viele Grüße

    • zu irgendetwas müssen die Apotheker nützlich sein..
      EXPASYL:
      Aluminimchloridhexahydrat 10,5
      Bolus alba 21,5
      aqua purific. 7,0
      Das Problem besteht darin,daß durch Zugabe von bolus alba(oder Weglassen)
      die passende Konsistenz gerieben werden muß!!Wenn der Apotheker fit
      ist,schafft er das bezw Sie selbst können in einem kleinen Mörser jeweils
      verändern,sodaß Sie es in die origialen Karpulen füllen können-gut säubern
      vorher..
      natürlich muß man originale Amsätze benutzen-da kommt man nicht drumrum.Ist
      aber alles VIIEEL billiger .Materialkosten zum Vergessen.Wirksamkeit 100%
      gleich.

  3. Rosa Schaum… es gibt von Coltene Magic FoamCord, ein aufschäumendes Silikon; allerdings blau.
    http://www.coltene.com/de/products/25/details/79/Magic_FoamCord®.html
    Hat mich bisher nicht zum Test gereizt. Weil Expasyl gut funktioniert, in harten Fällen zusammen mit den Silikon-Retraktionsringen von Peridenta.
    http://www.peridenta-care.de/retraktionsmanschetten.html
    In der Knochenkavität würde ich es wieder ausbohren – wenn ich es anwenden würde – weil ich schon mal eine Gingivanekrose bei einer Expasylanwendung gesehen habe.
    Aber das ist bei den sonst auch gelegentlich empfohlenen Eisen-III-Produkten ja wohl auch so.
    Betreffs der Anwendung der 3mEspe Retraktionspaste im Knochen habe ich die heute zufällig in der Praxis vorbei gekommenen 3M Espe-Vertreter gefragt; erst einmal war die Frage neu, man will sich informieren. Ich bin gespannt.
    3M Espe und Traxodent sind für mich etwas weicher, löslicher und leichter zu entfernen als Expasyl. Geschmacksache.
    Interessant fand ich, dass nach Retraktion mit Eisen-III-Produkten von Verfärbungen an adhäsiven Füllungen (selbstverständlich hauptsächlich Zahnhals) berichtet wurde. Nicht so bei Aluminiumchlorid.

  4. Guttaperchakaeppchen gefüllt mit bissregistratmaterial nach gutowski inkl doppelfaden liefert auch hervorragende ergebnisse!

    Bisschen mehr Aufwand aber es lohnt sich!

  5. Hallo Ha-Wi,

    ich kriegte die Paste oft nicht rückstandsfrei vom Stumpf…. und das führte bei mir zu etlichen Verzeichnungen bei dem von mir fast ausschließlich verwendeten Polyether-Abform-Materialien. Oder beim Absprayen fing es wieder an zu bluten. Ich habe den Bogen einfach nicht rausgekriegt.

    Ich bin deshalb recht bald reumütig zu meinem alten „Bauschaum“ zurückgekehrt: „Magic FoamCord“ von Coltene in Kombination mit „Ultrapak Clean Cut“- Retraktions-Fäden, Epinephrin und Roeko „Comprecap“ Kompressionshütchen.

    Insbesondere bei der gleichzeitigen Abformung von mehreren Pfeilern mit subgingivalen Randbereichen hat sich diese – zugegebenermaßen eher altmodische und zeitaufwendige-Kombination als mein persönlicher „Goldstandard“ bei der Abformungsvorbereitung erwiesen.

    Beste Grüße vom Lande,
    Thomas

  6. Ist das das Buch, wo nach Fadenlegung nochmal mit einem Elektrotom der Sulcus abgefahren wurde um „Zahnfleisch-Fusselfreie“ Ränder zu haben? Ich dachte bei dem rosa Bauschaum handele es sich um Stangenguttapercha…

    Interessant auch das die Gehälter damals genau so sind wie heute, ich dachte schon das ich einfach nur schlecht im Verhandeln bin :D…

    Foam Cord hatte ich mir für die Uni besorgt und getestet, hat nicht gut funktioniert, stattdessen damals dann für viel Geld Expasyl gekauft (mußte für den Semesterabschluß eine OK Abformung von 7 Kronen machen, mit Fäden ging das nicht gut geneug). Es hat seinen Dienst getan, aber im Direktvergleich finde ich die Paste von 3M Espe besser weil die Kanüle dünner ist (nicht so ein riesiges Rohr wie bei Expasyl) und es ist auch noch von allen Produkten am günstigsten. Man sollte die blutstillende Wirkung durch Kompression verstärken, dann klappt es echt gut. Der Vorteil der Pasten im Vergleich zu Flüssigkeiten: man kann den Sulkus oder die Blutung mit der Paste abgedeckt liegen lassen, den Zahn nochmal ätzen und alles zusammen absprühen, und trotzdem klebt noch ein Hauch auf der Blutungsstelle….

    • Ist das das Buch, wo nach Fadenlegung nochmal mit einem Elektrotom der Sulcus abgefahren wurde um “Zahnfleisch-Fusselfreie” Ränder zu haben? Ich dachte bei dem rosa Bauschaum handele es sich um Stangenguttapercha…

      Nein, das habe ich von diesem Buch nicht in Erinnerung.

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