Eines der größten Fehleinschätzungen in der Geschichte der Endodontie ?
Die unsägliche Einteilung in
nicht konventionell therapierbare und demnach chirurgisch anzugehende
Zysten
und
nicht zwingend chirurgisch zu behandelnde, demnach auf eine konventionelle Wurzelkanalbehandlung ansprechende Zähne, umgeben von
apikalem Granulationsgewebe.
Dieses Postulat hat letztendlich dazu geführt, das sich die Therapie endodontischer Knochenläsionen über viele Jahrzehnte hinweg und bis heute kaum widersprochen in eine falsche Richtung entwickelt hat.
Um es ganz klar zu sagen. Die Einschätzung, das es sich bei therapieresistenten, scharfbegrenzten periapikalen Prozessen um Zysten handle, die zur Heilung zwingend einer chirurgischen Therapie zugeführt werden müssten, ist falsch. Genauso verhält es sich mit der landläufig anzutreffenden Meinung, dass eine periapikale Läsion, sobald sie eine gewisse Größe überschitten habe, ebenfalls zwingend einer chirurgsichen Therapie bedürfe.
Man überlege, wie viele nicht zielführende, nutzlose, vielmehr sogar schadende, nämlich die Ausgangssituation verschlechternde Verrichtungen den Patienten erspart bleiben könnten, würde man den Versuch unternehmen, nicht mit Skalpell und Knochenfräse oder gar Extraktionszange, sondern minimalinvasiv auf konventionellem endodontischen Wege die Behandung solcher Zähne anzugehen.
Was ist, über das Fachliche hinaus, besonders wichtig, bei der Therapie solch großer ossärer Defekte ?
Das man der Wertschätzung des Patienten, unsere Arbeit betreffend, sicher sein kann.
Es bedarf eines Patienten, der selbst im Falle eines Misserfolges bereit ist, unsere Bemühungen adäquat zu wertschätzen.
Dessen war ich mir im vorliegenden Fall nicht sicher.
Es gibt Patienten, die im Rahmen des Erstgesprächs einem ein Loch in den Bauch fragen.
Um sich anschliessend im Rahmen der eigentlichen Behandlung voller Vertrauen in unser Arbeiten in unsere Hände zu begeben.
Im vorliegendem Fall war es aber eher so, dass der erste Eindruck
– einer extrem hohen Anspruchshaltung von Seiten der Patientin, kombiniert mit der Erwartung, das die benötigte Behandlung eine ebenso selbstverständlich (nach ihren Wünschen und Vorgaben) zu erbringende, wie – ungeachtet der ungünstigen Ausgangssituation – erfolgreich sein zu müssende Dienstleistung sei –
im Laufe der Zeit sich immer mehr bestätigte.
Zu ersten Behandlungssitzung kam die Patientin 20 Minuten zu spät.
“Der Zug hatte Verspätung” war ihre lapidare Kurzantwort beim Eintritt in die Praxis. Das war alles. Keine Entschuldigung, kein “Tut mir leid”. Da war abzusehen, wo die Reise hingeht. Aber das war nur der Anfang.
Die Behandlung fand statt, wie ich es immer in solchen Fällen zu tun pflege.
In der ersten Sitzung Wurzelkanalaufbereitung, zum Abschluss medikamentöse Einlage mit Ledermix. Ausgiebiges Spülen und Desinfizieren mit erwärmter schall- und laseraktivierter NaOCl- Lösung sowie ein ebenso dichter wie stabiler Kavitätenverschluss (Teflon, Cavit, Glasionomer-Zement) sind selbstverständlich. Die zweite Sitzung wird mit einer Calciumhydroxid-Einlage als Langzeitmedikation beendet. Nach entsprechender Wartezeit (minimal 16 Wochen bei größeren Defekten, bei sehr großen Defekten wie im vorliegenden Fall 6 Monate) erfolgt mittels MTA- Plug die apikale Wurzelkanalfüllung, der koronal gelegene Kanalanteil wird mit warmer Guttapercha und Sealer verschlossen.

Auf die Erstsitzung folgten:
Nicht eingehaltene oder unmittelbar vor Behandlungsbeginn abgesagte Termine.
Und Zeitverzögerungen durch eine Schwangerschaft. Später durch eine weitere.
Zwischendrin immer wieder längere Zeitspannen des Nichtmeldens von Seiten der Patientin. Anfangs versuchten wir immer noch, die Patientin zu kontaktieren, um Ersatztermine auszumachen, wenn duese ihre Termine nicht wahrnahm.
Irgendwann liessen wir es. Aber ich greife vorweg. Also der Reihe nach.
Die Calciumhydroxid-Einlage erfolgte am 17.09.2019, die erste Nachkontrolle fand am 21.04.2020 statt.


Konnte man im Zahnfilm schon eine Verbesserung erahnen ?
Ich beschloss, gerade auch im Hinblick auf die Anspruchshaltung der Patientin, weiter abzuwarten, um sicherzugehen.
Es dauerte fast ein weiteres Jahr, bis die Patientin am 15. März 2021 wieder den Weg in unsere Praxis fand. Die Röntgen-Kontrolle nach Wurzelkanalfüllung zeigt im Vergleich der beiden Zahnfilme ein eindeutige, wenn auch noch lange nicht vollständige Heilungstendenz.




Es vergingen beinahe 2 weitere Jahre.
Kaum zu glauben.
Die Patientin hat sich gemeldet.
Und für den 10.01.2023 einen Kontroll-Termin ausgemacht.
Der Anlass: Sie möchte den im Zahnhalsbereich minimal dunkleren Zahn bleichen lassen.
Wir fertigen zur Verlaufskontrolle einen Zahnfilm an.
Dieser zeigt zweifelsohne eine wunderbare Verbesserung des Ausgangsbefundes.
Es bleibt jedoch die Frage, on diese als (fast) vollständig eingestuft werden kann.

Hallo Ha-Wi,
ich bewundere immer wieder dein erstaunlich dickes Fell.
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