Spricht man mit Kollegen in auf Endodontie spezialisierter Praxis über Recalls, stellt sich schnell heraus, dass diese einen unbeliebten Teilbereich der Praxistätigkeit repräsentieren. Die meisten auf Endodontie spezialisierten Kollegen sehen in den Recalls unterbezahlte Zeitfresser, die es, wenn irgend möglich, zu vermeiden gilt.
Hinzu kommt, das im Gegensatz zur normalen zahnärztlichen Tätigkeit, welche Recalls gewissermaßen „en passant“ , im Vorübergehen, im Rahmen der normalen Behandlung einzubinden erlaubt, in der Endo-Praxis ein gesonderter Termin mit entsprechendem Zeitbedarf dafür vereinbart werden muss. Und im Laufe der Zeit mit der Zunahme an absolvierten Wurzelkanalbehandlungen die Anzahl der Recalls sich immer weiter vergrößert und so einen nicht unbeträchtlichen Teil des Arbeitsalltags einzunehmen droht.
Kommt man also irgendwann vor lauter schlecht bezahlter Recalls gar nicht mehr dazu, adäquat endodontisch zu behandeln ?
Natürlich ist eine möglichst umfassende Nachverfolgung des eigenen Behandlungserfolges eine wichtige und wertvolle Rückmeldung, die der Qualitätssicherung und Reflexion des eigenen dentalen Handelns dient. Aber beim Geld hören bekanntlich oft Freundschaft und wissenschaftliches Interesse auf. So gesehen ist es nachvollziehbar, dass versucht wird, den Anteil an Recalls so gering wie möglich zu halten und eine (nicht repräsentative) Umfrage unter auf Wurzelkanalbehandlung spezialisierten Kollegen bestätigt eine solche Vorgehensweise.
Für meine Praxis sehe ich die Situation anders.
Wir machen Recalls nach 6, weiteren 12, weiteren 24 und schlussendlich weiteren 48 Monaten.Warum tun wir das? Hier spielt die Lage der Praxis eine nicht unbeträchtliche Rolle, denn es gibt sicher ein Gefälle, die Überweisermentalität betreffend, vergleicht man die Situation in Metropolen mit der Situation im 45000 Einwohner umfassenden Bad Kreuznach am Rande des Rhein-Main-Gebietes.
Daher ist jeder Recallbrief eine Erinnerung an den Überweiser im Sinne eines „Hallo, uns gibt es noch und schau mal, was wir Schönes für dich getan haben!“
Und – wir bleiben beim Patienten im Gedächtnis. Können ihm ebenso wie dem Überweiser zeigen, das wird es geschafft haben, seinen Zahn zu retten, seine apikale Aufhellung zum Ausheilen zu bringen. Würde der Überweiser Zeit damit verbringen, dem Patienten gegenüber unsere Arbeit gebührend darzustellen, unseren Erfolg ausführlich zu würdigen, zum Beispiel in der Gegenüberstellung der Vorher-Nachher-Bilder?
Machen wir uns nichts vor, das wäre zu viel verlangt.
Es liegt also an uns, dies dem Patienten zu vermitteln und damit einen Werbepartner zu kreieren, der uns im Familien- und Bekanntenkreis weiterempfiehlt und im Falle eines zukünftig ihn ereilenden endodontischen Problems nicht zögert, uns aufzusuchen bzw. beim Hauszahnarzt auf einer Überweisung zu bestehen.
Diese Gemengelage berücksichtigend gibt es zwei mögliche Vorgehensweisen:
Zum einen, die notwendigen Recalls, so sie anfallen, ungeachtet ihrer Unwirtschaftlichkeit durchzuführen, und auf die positiven Effekte bei Überweiser und Patient zu hoffen.
Der Recall als Werbung für die Praxis.
Defizitär, aber nützlich.
Ich habe dies all die Jahre getan und bin nachwievor der Meinung, das die Vorteile die Nachteile überkompensieren. Nichtsdestotrotz haben die Entwicklungen, die COVID, die damit einhergehende Mangelwirtschaft und zuletzt der Ukraine-Krieg mit sich brachten, mich dazu bewogen, einen neuen Weg einzuschlagen. Darüber möchte ich im nächsten Beitrag berichten, will jedoch zunächst an dieser Stelle ein Meinungsbild einholen.
Wie sieht der geschätzte Leser die Recall- Problematik?
Notwendiges Übel, unter allen Umständen zu vermeidende Lästigkeit, wertvolles Praxistool oder gar ganz etwas anderes?
Ich habe es früher genau wie Du gemacht, dieselben Intervalle etc. Die Vorteile sehe ich genauso. Bei besonderen Fällen versuchen wir nach wie vor 10-Jahres-Recalls zu bewerkstelligen. Der Aufwand ist aber irgendwann so groß geworden, bei gleichzeitig trotz Reminder ziemlich hoher No-show-Rate (tut ja nicht mehr weh…), daß wir es irgendwann reduziert haben auf 6- und 12-Monats-Recalls. Das reicht in einer großen Zahl der Fälle, um eine Heilung abzuschätzen. Falls Zweifel bestehen oder besonderes Interesse: Längeres Recall im Einzelfall.
Für uns funktioniert das ganz gut bei noch vertretbarem Aufwand. Daß man diese Termine einpreisen muß in die Kalkulation von vornherein, ist ein Gebot der Wirtschaftlichkeit m.E.
LG Bernard