von Nils Widera
Ein nicht ganz alltäglicher Fall, den ich euch vorstellen möchte.
Die Patientin wurde zu mir überwiesen zur endodontischen Therapie an den Zähnen 36 und 37.
Wobei Zahn 37 vor etwa 4 Monaten primär behandelt wurde und es dabei zur im OPG deutlich sichtbaren Fraktur eines Instrumentes im distalen Kanalsystem kam. Das positive: Der Kollege hat die Patientin darüber aufgeklärt und als einzigen möglichen Lösungsansatz ein chirurgisches Vorgehen vorgeschlagen, wobei er eher zur Extraktion als zur WSR und retrograden Entfernung riet.
Die Patientin wechselte daraufhin die Praxis. Tatsächlich plagten Sie ob des langen Fragmentes mal mehr, mal weniger starke Schmerzen. Das gab Sie zumindest anamnestisch an.
In der Folge wurde Sie zu mir überwiesen.
Die klinische Untersuchung zeigte feste und gepflegte Zähne. Zahn 37 war aufbissempfindlich.
Daran hatte auch ein bereits erfolgtes außer Kontakt nehmen nichts geändert. Radiologisch sind zwei Probleme für mich deutlich ersichtlich: 1. Die Nähe des Fragmentes zum Nervkanal und 2. Die geringe Länge des im Kanal verbliebenen Fragmentanteils. Ich habe zur besseren Beurteilung ein DVT angefertigt und einige Screenshots mit angehängt.

Ich habe mich nach Auswertung des DVTs und nach der Frage der möglichen Vorgehensweise hin- und hergerissen gefühlt, ob es möglich ist die Fragmententfernung orthograd durchzuführen?
Was hättet Ihr gemacht?
Meine Idee war folgende: Warum nicht den Weg einer internen „orthograden WSR“ einschlagen? Ich habe also mit Hilfe eines Endo Tracers gelb und einer U-File rot im EndoChuck den Zugang zum Fragmentkopf geschaffen. Das Fragment war dann recht gut zu sehen und die Beleuchtung mittels zweier LED des Flexion Twin war hier sehr hilfreich. Da ich leider, trotz Ha-Wi ́s super Fotolehrgang, ein fotografisches Nichttalent bin, bitte ich die Qualität der teilweise nicht ganz einfachen Aufnahmen zu entschuldigen.
Nach ca. 45 Minuten war der Fragmentkopf unter für diese Verhältnisse maximaler Substanzschonung sichtbar – das Fragment saß superfest eingeschraubt im Apex. Alles so gut wie möglich auf Bild 1 dargestellt.
Um das Fragment jetzt sicher entfernen zu können, kam nach meinem Dafürhalten nur die Schlaufentechnik in Frage. Aber da der Fragmentkopf, wie das DVT bereits vermuten ließ, bündig in der apikalen Konstriktion gefangen war, stellte sich ein Umschlingen zu diesem Zeitpunkt als unmöglich dar. Unter Anwendung des EndoChucks und mehrerer U-Files habe ich dann die komplette apikale Konstriktion um das Fragment entfernt und dabei peinlich darauf geachtet die Schwingungsrichtung immer von Fragment weg gegen das Dentin / Zement zu richten. Auf diesem Weg wurde dann wie auf Bild 2 zu sehen ist (hoffentlich) ein circumferenter Graben um das Fragment gelegt.
Teil drei der Fragmententfernung bestand dann aus dem Anschlingen des Fragmentes, dem vorsichtigen verjüngen der Schlaufe und der Entfernung. Es kam ein 0,09er Draht in einer 0,3er Kanüle mit dem FragRemover zum Einsatz. Und Tatsächlich gelang das Entfernen mit dem ersten Zugversuch im dritten Bild zu sehen.
Die weitere Behandlung und WF erfolgten dann in einer zweiten Sitzung. Distal kam MTA zum Einsatz – und ja, ich hätte sehr gerne weniger periapikal gesehen.
Die Patientin war mittlerweile zur Kontrolle 4 Wochen Post OP und vollkommen beschwerdefrei. Und der 6er ist auch fertig.
Mein lieber Schwan, ich weiß nicht, ob ich den Schneid gehabt hätte, das zu versuchen, aber Du hast ja auch sehr viel Erfahrung mit der Schlaufentechnik. Was ich mich frage: Warum in aller Welt frakturiert man an dieser Stelle in dieser Form das Instrument…
Hallo Bernard, wie die Feile dort so frakturieren konnte , habe ich mich auch gefragt. Zumal das Fragment ca 6mm lang war und der Kanal selbst 20 mm.
Also muss der Kollege ohne Endometriekontrolle ein 31er Instrument eben mal so auf 26 mm ” eingedreht ” haben ! Aber den Mutigen gehört die Welt … !
LG Nils
Klasse gemacht. Und wieder ein gutes Beispiel, dass mehr geht, als man primär annimmt. Frei nach Henry Ford: Es gibt mehr Menschen, die kapitulieren, als solche, die scheitern.
LGJ
Hattest Du distal ein kollagenes Widerlager verwendet?
Hallo Jörg,
leider nein. Ich arbeite generell ohne Widerlager. Hat immer geklappt – bis siehe oben. Es ist mit etwas zu viel MTA , das dort überfüllt ist. Allerdings gab es auch keine Konstriktion im eigentlichen Sinne mehr , denn die habe ich ja entfernt.
Die Kontrolle erfolgt in vier Monaten – werde ich wenn möglich hier zeigen.
Liebe Grüße
Nils