Was haben alle hier in Teil 1 gezeigten OPM-Fotos gemeinsam ?







Die Antwort ist so banal, dass man vermutlich gar nicht im ersten Moment drauf kommt. Hinweis gefällig ?
Das Ziel des Sommerferien-Pauschalreisenden ist es, schön und gleichmäßig gebräunt aus den Ferien zurückzukommen. Auch wenn die favorisierte Intensität der Braunfärbung im Laufe der Zeit von einem kokosnussartigen Teint zurück zu sanfteren Bronzetönen sich entwickelt hat. In meiner Jugend in den Siebzigern und frühen Achtzigern war Tiroler Nussöl (Sonnenschutzfaktor NULL) das Schwimmbad-Liegewiesen-Mittel der Wahl. Heute ist Sonnenschutzfaktor 50 allgegenwärtig.
Was hat das Ganze aber nun mit unserem Fotografie – Thema zu tun ?
Naja, über die Intensität der Bräunung kann man ja streiten, aber niemand möchte aus dem Urlaub weiß wie ein Leichentuch zurückkommen. Und auch nicht krebsrot mit Sonnenbrand und sich schälender Haut.
Die oben aufgeführten Mikroskop-Fotos zeichnen sich alle durch eine perfekte Belichtung aus. Sind nicht zu hell und nicht zu dunkel.
Ist das jetzt was Besonderes ?
Heutzutage nicht mehr.
Ein Iphone oder eine moderne Fotokamera löst diese nicht ganz banale Aufgabe so souverän, dass man nie auf die Idee käme, dies als nicht selbstverständlich vorauszusetzen. In den Anfängen der Fotografie war dies noch ganz anders. Da war das Geschick und vor allem die Erfahrung des Fotografen gefragt und sogar essentiell für das Gelingen einer Aufnahme. Der zunächst Belichtungsreihen anfertigte, in dem er das lichtempfindliche Medium (beschichtete Glasplatten) unterschiedlich lange der Sonneneinstrahlung aussetzte, um ein Gespür für die Dauer der notwendigen Belichtung zu bekommen und für das eigentliche Foto dann für eine bestimmte Zeit den Schutzdeckel von dem Objektiv entfernte, innerlich einen Countdown herunterzählend, um schliesslich mit dem Zurückstecken der Linsenbedeckung den Belichtungsprozess zu beenden.
Die ersten Fotos nutzten Glas- oder Kupferplatten als Speichermedium und benötigten Belichtungszeiten von teilweise mehreren Stunden. Oscar Barnack und die Firma Leica sind als Erfinder der modernen Fotografie zu bezeichnen. Ihre LEICA Kleinbildkamera nutzte als erste einen aufgerollten Kinofilm mit einer Filmgrösse von 24*36 mm als Speichermedium.

Meine Leica I von 1930 ermöglicht Belichtungszeiten von 1/500 Sekunde. Da kein Fotograf in der Lage ist, das Abdecken der Objektivlinse in solch kurzen Zeitabständen zu realisieren, verfügen die Kameras über einen mechanischen Verschluss. Bei besagter Leica ein schwarz gefärbtes Stofftuch, dass mittels Federaufzug in Sekundenbruchteilen hin und her bewegt wird. Und noch ein elementares Bauteil moderner Fotografie muss nun erwähnt werden. Konnten zu Beginn der Fotografie nur sehr lichtunempfindliche Speichermedien genutzt werden mit entsprechend langen Belichtungszeiten so stehen schon ein paar Jahrzehnte später mit den erwähnten Silberbromiden auf Zelluloidfilm wesentlich effizientere Medien zur Verfügung und es besteht die permanente Gefahr der Überbelichtung. Wir alle kennen die Problematik aus dem täglichen Leben, wenn wir in eine helle Lichtquelle schauen. Der Blick im Sommer aus einem dunklen Raum heraus in ein helles Fenster oder der plötzlich auftauchende Autoscheinwerfer beim nächtlichem Gegenverkehr. Und genau wie das Auge mit seiner sich je nach Lichteinstrahlung vergrößernden oder verkleinernden Iris nutzt auch die Fotokamera eine ringförmige “Iris-BLENDE”, um den Lichteinfall adäquat zu dimensionieren. Durch die Iris unseres Auges sind wir in der Lage, sowohl bei Dunkelheit wie auch bei strahlendem Sonnenschein gescheit sehen zu können. Jeder, der einmal nach dem Augenarzttermin mit pupillenerweiterenden Tropfen versehen in der Welt umherstreifen musste, kann ermessen, welche wichtige Funktion der Iris zukommt und die Fotokamera bildet hier keine Ausnahme.
Der Fotograf von 1930, mein Großvater, war also Dank seiner Leica (die damals fast 2 Monatsgehälter kostete) in der Lage, mit einer handlichen Kamera (7*14*3 cm) ohne Stativ – beides damals eine Seltenheit, den Fotoapparate waren riesige Kästen auf dreibeinigen massiven Holzstativen- sich rasch bewegende Motive im Bild festzuhalten. Was die Belichtungszeit anging, war nach wie vor die Erfahrung des Fotografen gefragt. “Wenn Sonne lacht, nimm Blende 8”, solche Faustregeln gehörten zum Knipser- Einmaleins, denn erst Mitte der 1930er Jahre wurden die ersten Belichtungsmesser im Markt eingeführt, die sich das Phänomen der Änderung der Stromleitfähigkeit von Selen unter Lichteinwirkung zu nutze machen. Und es dauerte bis zum Jahr 1957 bis solche Belichtungsmesser von Herstellerseite in die Kameras eingebaut wurden.
Und damit haben wir alle notwendigen Bestandteile eines Fotoapparates beisammen:
- Kameragehäuse
- Objektiv
- Objektivverschluss
- Blende
- Speichermedium (Film/Sensor)
Jetzt kann es losgehen.
Die Erstellung eines optimalen Fotoergebnisses beschreibt man in der Wechselwirkung der einzelnen Komponenten zueinander am besten mit Hilfe eines kybernetischen Wechselkreises. Kybernetik ist nach ihrem Begründer Norbert Wiener (“Cybernetics or control and communication in the animal and the machine”) die Wissenschaft der Steuerung und Regelung von Maschinen und deren Analogie zur Handlungsweise von lebenden Organismen (aufgrund der Rückkopplung durch Sinnesorgane). Passt als wie die Faust aufs Auge zu unserem Thema im Bezug auf den Vergleich Auge – Fotokamera.
Definieren wir demnach ein optimal belichtetes Foto als einen Wert von 100. Die Menge der einfallenden Lichtstrahlung, die zu verschiedenen Tageszeiten naturgemäß variiiert, setzen wir für den jeweiligen Aufnahmezeitpunkt als konstant voraus. Sie produziert einen gewissen Photonenstrom, darunter versteht man die Zahl der Photonen pro Zeiteinheit. Besagter Photonenstrom bewirkt, um beim Schwarz-Weiss -Film der frühen Fotografie zu bleiben, eine entsprechende Schwarzfärbung des leichtempfindlichen Mediums.
Die Rechnung ist jetzt einfach. Photonenstrom/Sek * Belichtungszeit in Sekunden=100 (Belichtungsoptimum)
Eine Lichtquelle, die einen Photonenstrom von 100/Sek produziert benötigt eine Belichtungszeit von 1 Sekunde, eine Lichtquelle mit einem Photonenstrom von 1000/Sek benötigt nur 0,1 Sekunden, eine Lichtquelle von 10/Sek hingegen 10 Sekunden Belichtungszeit.
Die Belichtungszeit ist aber nur eine von 3 Möglichkeiten, eine optimale Belichtung zu ermöglichen. Die beiden anderen sind:
Möglichkeit 1:
Regulation der Lichtzufuhr über die Blende. Das Öffnen oder Schliessen der Blende erhöht oder verringert die Menge an Licht, das in die Kamera gelangt. Um bei unserer Analogie des Zimmers zubleiben. Die Blende der Kamera oder des Auges entspricht der Funktion eines Rolladens oder eine Jalousie vor dem Fenster. Je weiter der Rolladen geschlossen ist, um so weniger Licht gelangt in der Raum. Unsere kybernetische Formel lautet nun
Photonenstrom/Sek * Blendenwert*Belichtungszeit in Sekunden=100 (Belichtungsoptimum)
Für eine mittlere Öffnung der Blende definieren wir den Blendenwert als 1. Blenden von Fotoobjektiven haben feste und deutlich einrastende Markierungen am Objektiv, wobei die Differenz der jeweiligen benachbarten Markierungen jeweils das Doppelte des vorherigen Wertes beträgt. Ausgehend von der mittleren Blendenöffnung bewirkt die Nutzung der nächstgrößeren Blendenöffnung die Halbierung der Belichtungszeit. Umgekehrt führt die Nutzung der nächste kleineren Blendenöffnung zu einer Verdopplung der Belichtungszeit.
Noch nicht mathematisch genug ? Der Blendendurchmesser zur nächstkleineren Markierung reduziert sich jedes Mal um den Faktor 1/√2, was Öffnungsfläche und damit die Lichtmenge halbiert, so das dies mit einer Verdopplung der Belichtungszeit einhergeht. Die sogenannte Blendenzahl entspricht im Übrigen dem Quotienten von Brennweite und Blenden(kreis)durchmesser, bei einem Objektiv mit einer Brennweite von 50 mm und einer Blendenzahl 1 ist demnach der Durchmesser der Blendenöffnung 5 cm gross.
Vielleicht besser einfach an ein paar Beispielen sich verdeutlichen?
Blendenöffnung 1 (* X mm2)
100/Sek*1 *1 Sek= 100
Oder
Blendenöffnung doppelt so gross 2(*X mm2) => Halbierung der Belichtungszeit
Blendenöffnung 2
100/Sek*2 *0,5 Sekunden = 100
Oder
Blendenöffnung halb so gross = 0,5(*X mm2) => Verdopplung der Belichtungszeit
100/Sek*0,5*2 Sekunden = 100
Möglichkeit 2
Verwendung eines höherempfindlichen Filmes. Die sogenannte ISO Zahl ist ein Wert, der angibt, welche Lichtempfindlichkeit ein Film aufweist. Am meisten genutzt wurden früher ISO 100 – Filme. Es gilt auch hier die Faustregel, dass mit einer Verdopplung der ISO Zahl eine Verdopplung der Belichtungszeit einhergeht. In unsere Kybernetik- Gleichung geht daher die ISO Zahl wie folgt ein.
Photonenstrom/Sek * Blendenwert*Belichtungszeit in Sekunden*100/ISO-Zahl=100 (Belichtungsoptimum)
Nachdem wir nun alle Parameter definiert haben, können wir nun an Hand der Formel uns anschauen, wie die einzelnen Faktoren auf das Gesamtergebnis Einfluss haben.
So kompliziert die Formel auf den ersten Blick erscheinen mag, so einfach ist letztendlich das Procedere in der Praxis. Moderne Kameras und die Smartphones berechnen nämlich automatisch an Hand entsprechender Algorithmen das bestmögliche Ergebnis und passt entsprechend Blendenöffnung, Belichtungszeit und ISO – Filmempfindlichkeit (gibt es auch bei digitalen Kameras) aufeinander an. Bestimmte Kameras verfügen sogar über Beispielfotos in Musterbibliotheken, mit denen das jeweilige Foto abgeglichen wird. Die Kamera erkennt so den fotografierten Schneemann in der Winterlandschaft oder die Rummelplatzkulisse bei Nacht und passt die Kameraeinstellungen an die jeweilige Situation an. Für den Hobbyfotografen macht es demnach viel Sinn, den Fähigkeiten der Kamera zu vertrauen. Und den Programmwahlschalter auf der Stellung P (für Programmautomatik) zu lassen. Was für ein Fortschritt zur Leica meines Großvaters. Der die Belichtungsverhältnisse abschätzen musste und alle Einstellungen an der Kamera von Hand vornehmen musste.
Und genau in diese Vorzeiten der Fotografie begeben wir uns zurück, wenn es um die Mikroskopfotografie geht. Hier hilft uns nämlich die “Einfach nur Draufdrücken” – Variante P gar nichts mehr, im Gegenteil wäre vollkommen verkehrt.
Deshalb müssen wir uns die anderen Wahlmöglichkeiten anschauen, die uns eine moderne Kamera als Optionen zur Verfügung stellt.
M – rein manuelle Einstellung von Blende und Belichtungszeit
A – bedeutet Aperture Priority – Der Fotograf bestimmt die Blende (Aperture im Englischen), die Kamera wählt automatisch die für eine optimales Belichtungsergebnis benötigte Belichtungszeit aus.
T – bedeutet Time Priority – Der Fotograf bestimmt die Belichtungszeit, die Kamera wählt automatisch die für eine optimales Belichtungsergebnis benötigte Blende aus.
Letzeres – also T geht am Mikroskop genauso wenig wie die Programmautomatik P. Weil nämlich (zumindest bei den heute am Mikroskop zum Einsatz kommenden Kameras) unser “AufnahmeSystem” kein Objektiv nutzt, demnach auch keine von der Kameraautomatik einzustellende Blende vorhanden ist und damit auch nicht eingestellt werden kann.
In der nächsten Folge dieser Reihe geht es daher dann um die Frage, ob M oder A …