Neulich beim Tierarzt.
Eine nicht untypische Landtierarztpraxis.
Die Einrichtung noch vom Vater übernommen. Der praktizierte schon in den Sechzigern des letzten Jahrhunderts. Seit meiner Kindheit hat sich augenscheinlich nicht viel verändert. Noch immer der gleiche Schreibtisch, noch immer die gleiche Baisch-Glasvitrine. Nur noch gelblicher – seien wir nett und nennen es elfenbeinfarben – ist dieser ehemals weisse Schrank geworden. Im Wartebereich ist auch der Schreibtisch der Praxismitarbeiterin, welche die Kunden “betreut” und für den Liquditätsfluss zuständig ist. Bezahlt wird nämlich sogleich und auf die Hand. Nix mit Rechnung erst nach 14 Tagen stellen und der Patient wartet den Zahlungseingang der Beihilfe ab, bevor er überweist, natürlich nicht ohne den Betrag zurückzuhalten, den die Beihilfe nicht übernommen hat. Nix mit am 1. 1. des Jahres behandeln und am 20. Juni das Geld dafür erhalten. Und auch nix mit, ich brauche eine Abrechnungsgesellschaft, die mich 3 Prozent meines Nettohonorars kostet, nur damit ich zeitnah an mein Geld komme. Rund eine Stunde geht ins Land und, es lässt sich nicht vermeiden, das man es mitbekommt, circa 1500 Euro wechseln den Besitzer. Ohne das beim Zahnarztbesuch scheinbar pandemisch vorhandene, unvermeidbar immer und immer wieder vorgetragenen Murren, wie teuer das doch sei, wohlgemerkt.
Definitiv sind wir durch die GOZ nicht bevorteilt im Vergleich zu anderen Industrieländern oder auch Tierärzten. Zahnentfernung kostet in den USA übrigens ein par hundert Dollar. Pro Zahn, versteht sich.
Meine frühere Freundin war angestellte Tierärztin in der Lüneburger Heide, fuhr 7 Tage die Woche übers Land und verdiente weniger als meine zahnärztliche Assistenz. Gutgehende Tierarztpraxen sind für den Inhaber nach meiner Kenntnis dagegen oft nicht nur arbeitsreich sondern auch sehr lukrativ. Wieviel von den ganzen Bargeldern dann auch der Steuer anheim geführt werden, ist eine andere Frage. Quittungen waren zumindest damals eher unüblich…
Vielleicht sind den Leuten ihre Tiere mehr wert als ihre Zähne? Oder die Tierärzte haben das Glück, daß ihre Patienten nicht versichert sind und selbst zahlen müssen – ohne daß die Beihilfe mitmischt.
Seltsame Zeiten…