Geschichten aus dem Endozän – Motivation zum Wochenende

Heute ist Freitag und ich bin super gut gelaunt.


Dabei waren die letzten Wochen ziemlich hart.
Wir sind (nichtinfektiös) krankheitsbedingt unterbesetzt.
Da gibt es für Alle im Team besonders viel zu tun.
Und auch ich muss mich um etliche Dinge kümmern, die sich sonst nicht in meinem Tagesablauf wiederfinden. Öffnet einem aber auch die Augen. Erschreckend, wieviel Zeit durch vermeintliche Routineaufgaben verloren geht. Zum Beispiel im Rahmen des Wareneingangs und des Nachfüllens von Verbrauchsmaterial in den Zimmern. Das mache ich nämlich sonst nie.

Mal ganz gut, da reinzuschauen.
Man überdenkt Abläufe. Und modifiziert diese. Oder verschlankt.
Am Ende kommt idealerweise eine Verbesserung heraus. Das freut einen dann.
DAS ist QM!

Heute endlich nun, seit mindestens 2 Wochen herbeigesehnt, ist unser letzter Tag vor unseren Herbstferien. Eine Woche lang keine Zahnmedizin-Zwänge. Herrlich!

Super gut gelaunt bin ich aber nicht, weil ich nun 7 Tage lang keine Zahnmedizin machen muss, sondern weil ich Zahnmedizin gemacht habe.

Eine nicht gewöhnliche Zahnmedizin.
Denn gewöhnlicherweise wäre dieser Zahn vermutlich gezogen worden.

Zahn 17 bei Erstvorstellung in unserer Praxis

Eine 79 jährige Patientin suchte unsere Praxis auf wegen einer Schmerzproblematik, vermutlich ausgelöst durch Dezementierung des distalen Brückenpfeilers an Zahn 17 und nachfolgende Caries profunda. Der Zahn (Lockerungsgrad 0, Taschentiefen 2-3 mm) ) war von der Hauszahnärztin nach EKR trepaniert und mit einer provisorischen Krone + mesialem Freiendglied in Prämolarengröße versehen worden

Ich würde unter anderen Umständen für die Extraktion des Zahnes plädieren.
Allerdings nimmt die Patientin osteoporosebedingt seit längerem hochdosiert Bisphosphonate ein, weshalb von kieferchirurgischer Seite der Erhalt des Zahnes empfohlen wurde und mit diesem dringlichen Wunsch trat die Patientin an uns heran.

Also versprechen wir der Patientin, uns wohlwollend um den Zahn zu kümmern.
Nach Abnahme des für unsere Region überdurchschnittlich guten Provisoriums offenbart sich allerdings das Dilemma. Eine breiige, aus provisorischer Füllung, Karies und Speiseresten bestehende Masse erwartet uns.

Nach Kariesexkavation und Exzision der in die Kavität hineingewucherten Gingiva zeigt sich immerhin, das keine Pulpakammerbodenperforation vorliegt. Die obliterierten Kanaleingänge lassen sich ausmachen. Retention für den Kofferdam gibt es keine, daher baue ich zunächst den Zahn in Doughnut- Technik. Bukkal und palatinal schaffe ich Infrawölbungen. Die Form des Aufbaus ist zunächst ebenso unkonventionell unregelmäßig wie unbedeutsam, wir werden ja zeitnah präparieren. Am Aussehen braucht man sich also nicht stören. Wichtiger ist die gescheite Technik, den Aufbau zum Weichgewebe hin randdicht zu gestalten und hier ist das Flow- Composite Shofu Beautiful Flow Plus (Danke Olaf!) eine große Hilfe. Wir legen anschließend Kofferdam an, machen die initiale Kanalaufbereitung, verschliessen die Kanaleingänge mit Block Out LC und abschließend die Trepanationsöffnung mit Composit. Ende der ersten Sitzung.

2 Tage später präpariere ich den Kompositaufbau. Fertige chairside eine Kompositkrone an, die ich mit Rely X adhäsiv eingliedere. Zeitaufwand 45 Minuten.

Heute morgen nun die 3. Sitzung. Definitive Aufbereitung der Wurzelkanäle und abschließende Einlage von Calciumhydroxid. Die Trepanation der vorhandenen Kompositrestauration erfolgt unter Anlage einer minimalinvasiven Zugangsöffnung.

Die Behandlung ?
Absolut reibungslos in perfekter Choreografie.
Ein Traum.

Wenn man abschließend den Zahn betrachtet, so kann man nicht mehr glauben, dass dieser vor wenigen Tagen noch ein Fall für die Extraktionszange war.

Der Fall ist noch nicht zu Ende.
Vielleicht stellt sich nach WF maßlose Frustration ein.
Aber heute zumindest gehe ich mit extrem viel Freude ins Wochenende.
Weil ich weiss, dass wir etwas Nicht Gewöhnliches, etwas Besonderes, Schönes, Gutes geschaffen haben.

Ein Gedanke zu „Geschichten aus dem Endozän – Motivation zum Wochenende

  1. Guten Morgen, sehr beeindruckend! Kannst Du kurz etwas zur Herstellung des PV sagen? Welches Formteil verwendest Du dazu?

    Danke

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