Die Gretchenfrage oder Wie hältst Du es mit dem DVT ? Teil 3

Zahn 11 – Diagnostische Röntgenaufnahme vor der endodontischen Behandlung

Ohne DVT würde man hier scheitern.
Man glaube mir bitte.

Ein Zahn 11 mit leichter Dunkelverfärbung der klinischen Krone. Ein angefertigtes Röntgenbild offenbart einen vermutlichen Zustand nach Trauma in der Jugend, eine vorhandene apikale Aufhellung, der Wurzelkanal ist fast vollständig obliteriert.

Hier einen Versuch der Trepanation wagen würde zwangsläufig in einer Perforation enden.
Knapp 20 mm Blindbohrung, um dann in den unteren 2- 3 Millimetern den Kanal zu finden und nicht eine Via falsa zu produzieren, an einem solchen Tag könnte ich auch 10 Rubbellose kaufen und auf den großen Jackpot hoffen.

Das sind die harten Fakten.
Ein paar weiche kommen noch dazu.
Der Patient 26 Jahre alt, finanziell auf eigenen und vermutlich eher dünnen Beinen stehend. Die Anreise ? Rund 100 Kilometer. Die Behandlung aus Sicht der gesetzliche Krankenversicherung ein Behandlungsversuch , demnach vom Patenten aus eigener Tasche zu zahlen.

Was tun ?
Der Versuch des Zahnerhaltes ist angesichts des Alter des Patienten meines Erachtens diskussionlos zu bejahen, die uns seit ein paar Jahren zur Verfügung stehende Option der DVT – gestützten computergestützten Navigation unter Verwendung einer Bohrschablone die Methode der Wahl. Bliebe noch die Frage, ob man vorher mal den Versuch wagen sollte, zu trepanieren und in den Zahn hineinzuschauen ?

Könnte man dem Patienten doch vielleicht mit geringem Aufwand einen nicht unbeträchtlichen Geldbetrag sparen.
Angesichts des DVT – Befundes entscheide ich mich dagegen.

Es erfordert immer etwas Überwindung, blind in einen Zahn hineinzubohren.
Besonders, wenn man, wie ich, seit nunmehr fast einem Vierteljahrhundert gewohnt ist, 100 Prozent der endodontischen Arbeit unter Zuhilfenahme eines Operationsmikroskopes durchzuführen. Also taste ich mich vorsichtig heran. Der aufgesetzte Gummistopper signalisiert mir immer wieder die jeweilgen Teilschritte, dann ist Abnehmen der Schablone und in den Zahn hineinschauen angesagt. Das Bohren geht im Übrigen sehr leicht, ohne grosse Kraftanstrengung vonstatten, die Bohrer sind offensichtlich ausreichend scharf. Nur die Initialbohrung muss mittels Diamant und unter Wasserkühlung im roten Winkelstück erfolgen. Mittels wasserfester schwarzer Farbe markiere ich mir mit dem Trepanationsbohrer die Positionierung des Pilotloches.

Farbmarkierung des Pilotbohrers zur Visualisierung der Bohrstelle
Farbmarkierung des Pilotbohrers zur Visualisierung der Bohrstelle
Farbmarkierung des Pilotbohrers zur Visualisierung der Bohrstelle
Zahn 11 – Zustand nach Durchdringung des Zahnschmelzes

Im Falle des besagten Zahnes 11 war zwischendrin kein Hinweis auf die ursprüngliche Lage des Wurzelkanals zu sehen und keine noch so kleine Öffnung zu ertasten, es bewahrheitete sich also die Vorgehensweise, auf einen nicht bohrschablonengestützten ersten Versuch zu verzichten.

Schablonengestützte Trepanation, Vorsichtiges Herantasten

Ich führte die Bohrung in 3 Etappen durch. Nachdem ich die vorgesehene Bohrtiefe erreicht hatte, konnte der Wurzelkanal penetriert werden.

Zustand nach Trepanation
Zustand nach Trepanation

Der Rest war Routine. Zumindest bis zur Wurzelkanalfüllung. Das DVT hatte ja die verzweigte Anatomie des Wurzelkanalsystems in den unteren 2-3 Millimetern gezeigt mit einer horizontalen astartigen Spreizung. Jetzt galt es, diese Verzweigungen bestmöglich zu füllen ohne bei vorhandenem großem apikalen Foramen zuviel Überpressung von WF- Material zu verursachen.

Zahn 11 – Röntgenmessaufnahme 30.06.2020
Zahn 11 – Masterpointaufnahme 27.07.2020

Die WF- Kontrollaufnahme lässt mich in diesem Fall mit gemischten Gefühlen zurück. Einerseits können wir uns freuen, den Fall zunächst erfolgreich abgeschlossen und den Zahn erhalten zu haben. Aber ist das Ergebnis im Hinblick auf die apikalen Verzweigungen des Wurzelkanals adäquat ? Einzelne sichtbare Seitenkanäle reichen nicht aus, um Absolution zu erteilen.
Wird es genügen, eine Heilung zu erzielen ?

Zahn 11 – WF – Kontrolle 13.08.2020

Die Zeit muss es zeigen.

6 Gedanken zu „Die Gretchenfrage oder Wie hältst Du es mit dem DVT ? Teil 3

  1. Schönes Ergebnis!
    Warum bohrst Du denn ohne Wasser?
    Die Temperatur an der Spitze des Bohrers ist aus meiner Sicht schon kritisch- da würde ich jedes Mittel -oder hier -Tröpfchen Wasser- nutzen um zu kühlen…
    Wieviel am Ende ankommt, ist natürlich fraglich, aber zumindest kühlt man mal den Bohrer von „oben“. Hier hast Du zwar viel Substanz neben dem Bohrer an Dentin, aber an einem UK Zahn hätte ich etwas Angst, das es etwas warm an den „Sharpeyschen“ wird :-)
    Was denkst Du?
    LG tom

  2. Moin! In solchen Fällen frage ich mich immer, ob nicht eine reine apikale Chirurgie mit Retropräp ohne klassische WKB im coronalen Anteil nicht auch funktionieren könnte, aber die Fälle sind ja jetzt nicht so häufig um da mal Vergleiche anstellen zu können. Auch findet man irgendwie schwer Behandler die wirklich sauber eine Retropräp durchführen und eine richtige retrograde Füllung machen, bisher sind mir meistens nur Fälle mit “ abgesägt-und-SuperEBA- raufgeschmiert“ zurück überwiesen worden.

    Schöner Fall, hoffentlich dankt es der Körper!

    Gruß Gregor

  3. Ich denke es wird heilen! Mich würde interessieren, wie die Planung der Bohrung und die Schablonenherstellung abläuft. Macht man das als Behandler selbst?
    Desweiteren frage ich mich bei diesen Fällen immer ob hier nicht ein rein chirurgisches Vorgehen im Sinne einer mikrochirurgischen WSR ohne vorherige orthograde Endo zu rechfertigen wäre. Natürlich eigentlich ein no-go …. ich denke nur „laut“ und würde mich interessieren wie eure Meinung dazu ist oder ob da jemand Erfahrungen in der Hinsicht hat. Im Prinzip könnte es doch möglich sein nur retrograd aufzubereiten und mit MTA o.ä. zu füllen… Viele Grüße, Lorenz P.S.: Nein ich habe das noch nie so gemacht … es ist nur ein Gedanke … let the shitstorm begin ;-)

    • Lorenz – du muss nur mal eine Fortbildung bei Khayat besuchen und er zeigt dann Fälle die er nur retrograd gelöst hat.

      Ich glaube es gibt bei facebook sogar ein Video mit einem Interview.

    • Die Planung kannst Du selbst machen. Du brauchst ein DVT von der Situation (kann man auch überweisen, sinnvolerweise so groß, dass es von min. 4-4 geht) und einen Scan des Kieferes oder ein Modell. Beides schickst Du an ein Labor dass Dir eine Bohr-Schablone drucken kann und ein Programm zur Planung hat (z.B. Codiagnostix von Straumann).
      Im Labor (oder in der Praxis wenn man alles selbst hat) wird das DVT mit dem intraoral Datensatz (vom Modell) „gemachted“-also überlagerd. Dann wird in der Regel eine TeamViewer Sitzung gemacht und man kann auf dem Bildschirm die korrekte Position von der Bohrung festgelegt werden. Wenn alles passt wird die Schablone 3-D gedruckt und die Hülse eingebaut und die Schablone mit Bohrer geliefert… Kosten je nach Labor und Aufwand 150-300.- Euro. Der noch unbekannte Ablauf wäre aus meiner Sicht kein Grund deswegen eine WSR zu machen…Die Schritte müssen halt sorgfältig ausgeführt werden, damit die Fehlerquote mit Abweichung an der Bohrer Spitze möglichst klein ist. …und dass das Ganze gut funktioniert zeigt HaWi ja oben super dokumentiert.

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