Notwendigkeit von 3D-Röntgen im Frontzahnbereich ? (Teil 2)

Im  vorliegenden Fall, hier besprochen, haben wir mit unterschiedlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Zahnmedizinisch wie menschlich ist der Zahn eine Herausforderung. Zahnmedizinisch auf Grund der riesigen Knochendestruktion, das wahre Ausmaß offenbart die 3D DVT – Aufnahme. Dabei ist es nicht die bloße Ausdehnung alleine, vielmehr ist der Verlust der vestibulären Knochenlamelle das prognostisch Limitierende.

Zur Verdeutlichung der Situation, den Patienten gegenüber hat sich in vielen Jahren zahnärztlicher Tätigkeit der Vergleich mit einem Luftballon bewährt.

Ich erkläre die Situation wie folgt:

“Die vorhandene Entzündung hat die Tendenz, sich auszudehnen. Sie kennen das vom Insektenstich. Es bildet sich eine Schwellung aus. Wir haben es mit einer bakteriell bedingten Entzündung zu tun. Die im Zahn vorhandenen Bakterien und die Giftstoffe, die diese produzieren wandern durch den Zahn hindurch, treten im Bereich der Wurzelspitze aus dem Zahn heraus und bewirken eine Zerstörung des Knochens um die Wurzelspitze herum. Der harte Knochen wird durch ein weiches Gewebe aus Abwehrzellen ersetzt, eine natürliche Abwehrreaktion des Körpers. Im Röntgenbild sieht man dies ab einer gewissen Größe als dunklen Bereich, der im Laufe der Zeit zunimmt und immer größer wird.

Wie ein Luftballon, der immer größer wird, wenn man ihn aufbläst. Bis, wie in ihrem Fall zum Schluss ein riesiger Hohlraum und nur noch eine hauchdünne Hülle vorhanden ist.

Unser Ziel ist es, die Bakterien zu eliminieren.
Wenn uns das gelingt, dann schrumpft die Entzündung, fällt in sich zusammen wie ein Luftballon, aus dem man die Luft wieder herauslässt. Und wie ein riesiger Luftballon sich wieder zu einer winzigen Größe  zurückentwickelt, so wird die Entzündung ganz klein werden und anschließend sogar vollkommen verschwinden.

Das funktioniert sehr gut und auch bei sehr großen Knochendefekten vorhersagbar, solange die Entzündung noch vollständig von Knochen umgeben ist.

Wenn dies nicht mehr der Fall ist, dann ändert sich die Situation drastisch.

Genau wie beim prall gefüllten Luftballon, wenn man mit einer Nadel reinsticht.
Der Luftballon platzt und wir haben schlagartig ganz andere Voraussetzungen.

In ihrem Fall ist der stark angeschwollene Luftballon in ihren Kiefer geplatzt.
Die Aussenhülle, der Knochen fehlt.

Und damit fehlt die Voraussetzung für eine geordnete Rückbildung zum Ursprungszustand.

Das heisst nicht, dass es in ihrem Fall nicht doch vollständig heilen kann. Wir haben solche Abheilungen in der Vergangenheit immer wieder dokumentiert.

Aber – wir können keine Prognose abgeben.
Wir können es nur versuchen und abwarten, was passiert.

Letztendlich treffen Sie die Entscheidung, ob Sie einen solchen Versuch des Zahnerhaltes wagen wollen, oder ob sie sich von vorne herein gegen den Zahn entscheiden und für einen  Zahnersatz entscheiden.”

Es folgt die Aufklärung, die Behandlungsalternativen betreffend.

Was sind die Alternativen ?

Ich sehe sowohl die Implantation wie auch die WSR in der gegenwärtigen Situation als problematisch an.  Bei der Implantation ist die Ausgangssituation, den Knochen betreffend als ungünstig anzusehen.  Und die WSR birgt die Gefahr der Devitalisierung des Zahnes 12, der bislang sofort und eindeutig positiv auf den Sensibilitätstest mittels Kältespray reagiert.

Mein Ziel wäre es deshalb, durch eine Wurzelkanalbehandlung dafür zu sorgen,

das

  1. der Zahn im Mund bleiben kann
  2. Sie keine Schmerzen und keine eitrige Entzündung mehr erleiden.
  3. sich der Knochen vollständig oder zumindest teilweise wieder regeneriert. Auch eine teilweise Knochenneubildung wäre ein Erfolg, weil es die Chancen der Implantation erhöht und die Risiken der Wurzelspitzenresektion reduziert.

Wie die nachfolgenden Röntgenbilder zeigen, hat die Patientin sich entschlossen , den Versuch der Zahnerhaltes zu wagen.

Auch ich bin das Wagnis eingegangen, die Behandlung durchzuführen.
Wagnis nicht wegen des Falles, da hatte ich schon größere Defekte erfolgreich therapiert, sondern wegen der “besonderen” Patientin, die uns im Falle des Scheiterns vermutlich die Hölle heiss machen würde.

Was, wenn sie Schmerzen oder einen erneuten Abszess bekäme?
In ihrem Urlaub, fernab der Heimat und unseren Zugriffsmöglichkeiten.

Wie würde Sie reagieren?
Und würde Sie sich noch an die Inhalte unseren langen Erstuntersuchung und unseres langen Aufklärungsgespräches  (allein über 30 Minuten für Letzteres) erinnern ?

Gäbe es Juristische Konsequenzen? Jameda Hass-Kommentare ?

Letztendlich verlief die Erstbehandlung unkompliziert, wenn man davon absieht, dass die Patientin ihre Termine wiederholt kurzfristig absagte oder verschob.
Oder nicht einhalten konnte.

Grundvoraussetzung für mich, eine Therapie solch großer bakteriell induzierter Knochendefekte betreffend, ist die lange Liegedauer der medikamentöser Einlage (16 Wochen)  Und für mich kommt aus der jahrelangen extrem positiven Erfahrung heraus hier nur Metapex in Frage. In der abschliessenden kritischen Bewertung werde ich zu gegebener Zeit ( der Fall ist noch nicht abgeschlossen, demnach keine Sonntags- Fall, im Gegenteil eine Trapeznummer- Endo (ohne Sicherheitsnetz) auf die “Zysten” – Problematik und auf den Problemkreis “Extraradikuläre Infektion” detailliert eingehen.

Bis dahin sei angemerkt, daß 7 Monate später sich die Patientin  erneut bei uns vorstellte.   Das angefertigte Kontrollröntgenbild zeigt bei optimistischer Interpretation einer Verbesserung der Knochensituation, diese Einschätzung ist vielleicht aber auch nur unserem Wunschdenken geschuldet.

Die Patientin war in all der Zeit beschwerdefrei.

Wie sollte man  weiter verfahren ?

p.s: In den Kommentaren tauchte die Frage auf, ob ich die Patienten in solchen Fällen über das Vorhandensein einer Zyste aufkläre.  Aus aktuellem Anlass kann ich an dieser Stelle anführen, dass es sich im vorliegenden Fall auf gar keinen Fall um eine Zyste handeln kann.

Woher ich das weiss?
Darüber hat mich der Kollege im Wirtschaftlichkeits-Beratungsgespräch Anfang März umfassend belehrt. Ich werde in einem weiteren Beitrag zur Wirtschaftlichkeitsprüfung nächste Woche berichten.

3 Gedanken zu „Notwendigkeit von 3D-Röntgen im Frontzahnbereich ? (Teil 2)

  1. Beim Lesen erhöhten Puls bekommen ;) Man kann sich einfach zu gut in solche speziellen Fälle, die durch den Patient spezieller werden, hineinversetzen. Hoffe es geht alles gut. Parodontalspalt am 2er sieht doch definitiv besser aus! Grüße CM

  2. Hallo HaWi, der Einwand mit dem Wirtschaftlichkeitsgespräch ist zwar sehr zynisch, aber leider der Wahrheit entsprechend. Da hilft nur die Bestätigung durch die Histo.
    Ich finde röntgenologisch sieht es deutlich weniger “dunkel” aus.
    Du hast doch sicherlich noch ein Kontroll-DVT gefahren bei diesem Ausgangsdefekt.
    Dieser Verlauf wäre spannend zu sehen, obwohl solche Defekte in der OK-Front meistens Jahre benötigen bis zur vollständigen Remission.
    LG,
    Markus

  3. Hallo HaWi, bin schon gespannt wie es bei deiner Wirtschaftlichkeitsprüfung weiter geht. LG Oli

Kommentar verfassen