Kampf dem Virus – Der Corona – Workflow – Wie hat Corona unsere Praxis verändert ?

Wo waren Sie, als Kennedy ermordet wurde ?
Diese Frage wurde zum Fanal für ein einschneidendes Ereignis der 60er Jahre.
Etwas, woran sich Menschen noch nach vielen Jahren erinnern konnten.
So intensiv, so einschneidend war die Erfahrung.

Auch ich kenne einen solchen Moment.
Ich war in der Praxis beim Behandeln, ein sonniger Dienstag nachmittag als im Radio bei SWR 3 Stephanie Tücking (Gott hab sie seelig)  die Meldung verkündete, soeben sei ein Flugzeug in einen der beiden Türme des World Trade Centers New York geflogen.
Der 11. September 2001.

Aber noch stärker, da bin ich sicher, wird die Welt sich noch lange lange an den Jahresbeginn 2020 erinnern.  Als COVID 19 sich in der Welt ausbreitete und nichts mehr war wie bisher.

Und man kann jammern, man kann lamentieren, sich ärgern, hinterfragen.
Resignieren. Oder versuchen, aus dieser Situation das Beste zu machen.

Se vogliamo che tutto rimanga come è, bisogna che tutto cambi.“
Wenn wir wollen, das alles bleibt, wie es ist, muss sich alles ändern!
Sagte der Schriftsteller Guiseppe Tomasi de Lampedusa in seinem Roman „Der Leopard“.

Was also soll/wird sich ändern bei uns in der Praxis ?

Nachfolgend eine kurze, sicherlich noch unvollständige Liste, die aber schon sehr gut zeigt, wo die Reise hingehen soll:

  1. Keine Zeitschriften, keine Getränke
    Seit 30 Jahren sehe ich den Wartebereich unserer Praxis als Wohlfühlort. Kein Lesezirkel, keine abgegriffenen Zeitschriften, sondern hochwertige, neue und vor allem aussergewöhnliche Magazine, für die wir oft gelobt wurden. Mineralwasser, Kaffee. Alles Geschichte. Am Tag 1 weggeräumt. Wird auch so bleiben. Wegen Punkt 6. Bin ich froh drum.
  2. Keine Begleitpersonen
    Wie oft hatten wir das. Einer wird behandelt, aber 1-3 Personen sind in der Praxis dabei. Damit ist jetzt Schluss. Das Beste überhaupt. Wer nicht für die Behandlung benötigt wird (Begleitung für Ältere, Kinder, Menschen mit Handicaps) hat nichts in der Praxis zu suchen. Ich liebe es.
  3. Händedesinfektion
    Der berührungslose Desinfektionsspender hängt seit etlichen Jahren bei uns neben der Eingangstür, er wurde seltenst benutzt. Jetzt ausnahmslos. Na also. Geht doch!
  4. Bestmöglicher Mitarbeiterschutz
    COVID 19 ist in der Zahnarztpraxis vor allem eine Bedrohung für das Team. Daher gilt bestmöglicher Mitarbeiter/Selbstschutz. Wir haben unser Hygienekonzept kritisch hinterfragt und festgestellt: Vieles, was jetzt essentiell wird, machen wir schon seit Jahren. Und ja, wir sind dafür belächelt bis ausgelacht worden (Schubladen mit IKEA – Wäscheklammern aufmachen, der Ellenbogen für die Praxistüren, die abgeklebten Schalter, die Mülltüten  fürs Röntgen, der desinfizierte Finger des Patienten vor/nach Röntgenmessaufnahme  etc. etc. Fakt ist – wir müssen all diese Dinge nicht mehr erlernen oder einführen, die sind bei uns in Fleisch und Blut übergegangen, gehören gewissermassen zu unserer DNA. Aber natürlich lässt sich alles noch erweitern, und das haben wir getan und tun es weiterhin. FFP2 bzw. FFP3 – Masken, MNS und Schutzbrillen für alle und permanent, Kopfbedeckung, zusätzliche Schutzkleidung. Gesichtsschild in 2 Versionen (mit/ohne Lupenbrille). Spritzschutz für das OP – Mikroskop.
  5. ALLES unter Kofferdam
    Unser größter Trumpf. 30 Jahre Erfahrung mit Kofferdam für Alles. kein Problem. Und da wir nur Endo machen, läuft nach der Anästhesie bis zur Okklusionskontrolle alles unter Kofferdam ab. Auch, im Gegensatz zu früher, das Adjustieren der Kauffläche nach Kavitätenverschluss. Hände weg vom Speichel ist unsere Devise und wir befolgen diese konsequent. Mehr Sicherheit, Areosol betreffend, geht nicht.  Ein gutes Gefühl. Für mich und mein Team.  A pro pos Team. Wir sind in Zeiten von Corona aus Mitarbeiterschutz zum 4 händigen Arbeiten zurückgekehrt. Das ist nicht optimal, und das 6 händige Arbeiten fehlt mir sehr, aber ein Kompromiss, den ich im Moment gerne eingehe, um die Kontaktzeit im Team mit Patienten so gering wie möglich zu halten.
  6. 1PP
    1PP- Steht für die 1 PATIENTEN PRAXIS. Wer s cooler mag sage auch gerne 1PO – One PEE OH. ONE PATIENT OFFICE. Heisst. Nur ein Patient in der Praxis.  Keine  Wartezeit. Der Patient kommt und wird sofort in sein Behandlungszimmer geführt. Nur in den seltensten Fällen nimmt er kurz im Wartebereich (der nur noch 3 Stühle beinhaltet) Platz, aber er begegnet niemandem mehr, der nicht in die Praxis gehört. Ich liebe es. Warum ? Datenschutz erfüllt ! 100 Prozent. Keiner mehr, der irgendwas hört, sieht, was er nicht mitbekommen darf.
  7. Abrechnungsgesellschaft
    Ich habe mich all die Jahre dagegen gewehrt, weil unsere Klientel (wir sind in der Provinz, auf dem Land und haben es mit einfachen, ehrlichen Leuten zu tun) immer die Rechnungen gezahlt hat. Totalausfälle in den 27 Jahren vielleicht 2 oder 3. Da lohnt sich die Abrechnungsgesellschaft nicht. Aber. Die Zeiten ändern sich. Und ich merke auch, dass die Jungen anders ticken. Die private Zusatzversicherung will nicht zahlen?  Dann zahl ich auch nicht, seh ich gar nicht ein.  Und  mit Corona? Unklare Zukunft. Ich gehe jetzt den Weg. Und werde berichten, wie es sich entwickelt.
  8. Respekt!
    Die Corona – Krise hat 2 Dinge gezeigt. 1. Wir sind – kein Schreibfehler, ich habe immer schon bewusst diese Wortwahl gebraucht – NICHT SYSTEMIMMANENT. Als Steigerung von „nicht systemrelevant“. Systemrelevant bedeutet ja, hier hat jemand sich Gedanken gemacht, in Erwägung gezogen und ist dann zum Schluss gekommen, dass die angebotene Leistung nicht wichtig genug ist. Nicht systemimmanent hingegen bedeutet, wir sind so unwichtig, das von Seiten der Politik  im Rahmen der Corona – Krise niemand auch nur an die Zahnärzte gedacht hat. Wir sind de facto ausserhalb des Systems. SO siehts aus, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Wir sind raus. Beziehungsweise wieder dort, wo wir Jahrhunderte lang waren. Beim fahrenden Volk der Zahnreisser auf Rummelplätzen oder bei den Bardern, sprich den Friseuren.  Das Verrückte ist. Haareschneiden kann jeder, wenn Not am Mann (m/w/d) ist. Zahnmedizin keiner. KEINER.Wie also ist zu erklären, dass man dennoch glaubt, uns wie Lakaien behandeln zu können, das trifft auf Politik wie auf den Patienten gleichermaßen zu ?
    Ganz einfach.
    Weil wir Alles mit uns machen lassen.Und die Politik das weiss. Siehe TI. Wie ich im Vorfeld der TI- Einführung schrieb. Die TI ist der Lackmustest für die nächsten 10 Jahre, die Zahnmediziner betreffend. Halten Sie still, lacht sich die Politik ins Fäustchen, denn sie hat die Zahnärzte im Sack.Und die Patienten ?
    Fordern!Warum?
    Weil sie es können.
    Auch das ist die ebenso banale wie harte Antwort.
    Weil wir es mit uns machen lassen.Ich sage.
    Wir tun alles, um den Patienten bestmöglich zu behandeln. Geben Rahmenbedingungen und wirtschaftlichen Rahmen vor.
    Der Patient kann wählen.
  9. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen. Fordert Respekt! Von den Patienten! Von Euch selbst! Wenn ihr, das, was ihr tut, respektiert und dafür einsteht, dann werdet ihr bestehen! Und noch ein Tipp aus aktuellem Anlass. SO sieht Protest in Frankreich aus!
  10. Weniger Arbeit, mehr Leben.
    Die Corona- Krise hat eins gnadenlos gezeigt.
    Das Leben wartet nicht und nimmt auch keine Rücksicht auf Irgendwas.
    Ein prall gefülltes Bankkonto, ein schönes Seniorentum, ja selbst ein möglichst frühes Rentenalter nützt nichts, wenn uns ein Virus plötzlich und unerwartet vorher dahinrafft. Also – JETZT ist das Leben und das findet vor allem außerhalb der Zahnarztpraxis statt.

3 Gedanken zu „Kampf dem Virus – Der Corona – Workflow – Wie hat Corona unsere Praxis verändert ?

    • KV nur nach Röntgenbild? Kein klinischer Befund? Unprofessionell. Mitunter wäre der Längsriss klinisch zu diagnostizieren. Am Röntgenbild nicht. 1,5h Zeit geplant und dann nach 15 Minuten Schluss. Einige gute Ideen, aber für mich nicht rund.

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