Notfallkoffer

von Christian Danzl

2010-04-06_MG_784390

Letzte Woche fand er wieder statt, unser regelmässig wiederkehrender Notfallkurs für die Zahnarztpraxis.

Neben Therorie und Praxis der Kurses stellt sich natürlich immer wieder die Frage, welchen Notfallkoffer man sich für die Zahnarztpraxis anschaffen soll.

Die Antwort des Ausbilders war einfach: Keinen!
Da meist viel unnötiges Material drin ist, welches keiner einsetzen kann, wenn man nicht täglich damit zu tun hat.

Was natürlich nicht heissen soll, dass man keine Ausrüstung für Notfälle haben soll!

Empfohlen wurde uns als sinnvolle Ausstattung für die Zahnarztpraxis:

  • Blutdruckmessgerät
  • Blutzuckermessgerät
  • Pulsoxymeter
  • Sauerstoffflasche mit Druckminderer und Sauerstoffmaskemaske
  • Adrenalin mit Verneblermaske für Sauerstoffflasche
  • Ambubeutel
  • Larynxtubus
  • Nitrolingualspray

und eventuell einen

  • AED, einen automatischen externen Defibrilator

Das sollte normalerweise reichen um einen Patienten bis zu Eintreffen des Rettungsdienstes zu stabilisieren. Das Material bringt natürlich nichts, wenn man nicht weiss, wie es eingesetzt wird. Aber das lernt man ja regelmässig im Notfallkurs.

Das praxisinterne QM braucht dann nur noch einen geeigneten Ort (bei uns ist es eine zentrale, eindeutig beschriftete Schublade im Steri) um die Sachen abzulegen und Batterien und Ablaufdatum des Adrenalins und des Nitolingualsprays zu kontrollieren.
Man kann das Ganze selbstverständlich auch in einem Koffer unterbringen, oder in einer geeigneten Tasche oder Kiste. Die wiederum kann aber die Putzfrau mal woanders hinstellen, und man ist wieder am Suchen.

Der Aufwand hierfür ist überschaubar.

14 Gedanken zu „Notfallkoffer

    • Laut unseres Referenten ist die Bioverfügbarkeit des Adrenalin aus so einem Pen relativ niedrig, reicht aber gut, um die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes zu überbrücken. Wenn eine Sauerstoffflasche vorhanden ist, ist eine Verneblermaske und Adrenalin in der Flasche auch eine sehr einfache Lösung.

      LG
      Christian

      • Es geht um Zeit. Der Pen ist ganz klar zu bevorzugen und auch für den Laien und eben im Notfallszenario vergleichsweise leicht zu handhaben. Hier hat man es nicht mit einem tiefenentspannten Dummy zu tun, sondern mit einem Menschen nahe oder im Panikzustand. Da wird selbst das Anlegen einer Sauerstoffmaske zum Problem.
        LGM

  1. Hallo Christian,

    Danke für den interessanten Beitrag. Inhaltlich kann man das aber auch anders sehen. Ich habe einen anderen Ausbilder, der unter anderem Dozent an Erstehilfe-Schulungseinrichtungen ist und für die Konzeption von Ersthelferschulungen einiger großer Organisationen zuständig ist, diesbezüglich gefragt und er teilte mir mit, dass er für Zahnärzte zu einem vollständigen Sortiment wie etwa diesem hier rät: https://www.mwdental.de/notfallkoffer-kombi-zahnarzt-953002—notfallkoffer-kombi-zahnarzt-226086—erste-hilfe-16028-d-p-shop.html

    Herzliche Grüße

    Haya

    • Hallo Haya,
      Notfallkoffer gibt es viele. Und jeder Ausbilder/Referent hat andere Vorstellungen. Und jeder empfiehlt was anderes. Der von Dir vorgestellte Koffer scheint sich relativ gut mit unserer Ausstattung zu decken. Jedoch haben wir keine Guedel-Tuben und kein Infusionsbesteck.
      Warum?
      Unter Garantie kann kein normaler Zahnarzt mit einem Guedel-Tubus intubieren, der dies nicht einmal im Monat übt. Darum haben wir die Larynx-Tuben. Mund auf, Tubus bis Anschlag rein, aufblasen. Unterschied: Mit einem „normalen“ Tubus schaffe ich einen Weg für die Atemluft in die Trachea, mit dem Larynx-Tubus blocke ich die Speiseröhre und halte gleichzeitig den Luftweg frei, kann aber trotzdem beatmen (war jetzt sehr laienhaft erklärt).
      Infusionen legen ohne Übung ist auch nicht ohne. Das macht auch dann der Rettungsdienst.
      Unsere Aufgabe ist, den Patienten bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes stabil zu halten.
      Das ist hauptsachlich:
      – Atmung kontrollieren und Atemwege freihalten (also bei Bewusstlosigkeit Kopf überstreichen, um die Atmung zu ermöglichen), hier kann Sauerstoff nicht schaden
      – wenn keine Atmung vorhanden, ist auch kein Kreislauf vorhanden, also Wiederbelebung, sprich pumpen (vorerst ohne zusätzliche Beatmung, da für fast eine halbe Stunde Sauerstoff in Blut und Gewebe vorhanden ist). Hier kann dann auch ein AED von Vorteil sein.
      – bei einem anaphylaktischen Zwischenfall hilft Adrenalin

      So wurde es uns im groben erklärt. Ist verständlich, und man weiss es auch nach ein paar Monaten noch.

      LG
      Christian

      • Auch die Herzdruckmassage ist nicht ohne….vor allem konditionell. Wir haben tatsächlich eine MP3-Datei mit dem BeeGee`s Hit: „Stayin alive“ auf allen Rechnern in allen Räumen als Rhythmusgeber für die Herzdruckmassage. Hier ist der Titel Programm ;-). Es eignet sich aber auch Queen mit „An other one bites the dust“….

        Beste Grüße vom Lande, Thomas

      • Lieber Miles,
        genau so ist es. Die Intubation gehört in professionelle Hände und ohne Praemedikation und Laryngoskop geht ohnehin nichts. Die auf dem Markt befindlichen „Notfallkoffer für Zahnärzte“ sind überteuert und voll mit unnötigem Firlefanz und die Empfehlungen für die Medikamentenbestückung teils absurd. Ich glaube Ihr habt einen guten Ausbilder, der aus der Praxis kommt :-)
        LGM

      • Hallo Christian,

        das verstehe ich, Dein obiger Beitrag las sich nur so, als ob die Aufzählung abschließend sei und das hat mich dazu gebracht, das nochmals zu hinterfragen. Sicherlich führen – wie immer- viele Wege zum Ziel. Erste Hilfe muss so oder so regelmäßig geübt werden, das ist das Problem, auch bei einfacheren Dingen, wie etwa einen Verband anlegen etc.. Auch der Umgang mit einem AED ist nicht so trivial und muss ab und zu auch wiederholt werden, ich habe diesbezüglich selbst schon Schulungen besucht. (http://intermedical24.eu/index.php/catalog/product/view/id/24520/s/samaritan-pad-350p-defibrillator/category/287/?gclid=CMGi47_01sMCFQ6WtAodHRQAfQ).

        Herzliche Grüße

        Haya

  2. Das Buch „Notfallmanagement in der Zahnarztpraxis“ ist auch sehr zu empfehlen, wir haben sehr gute Erfahrung damit gemacht, leider aus entsprechenden aber gottseidank milden Zwischenfällen. Ein Asthma-Mittel (Salbutamol),ein Anti-Allergikum (Tavegil) und Traubenzucker gehört bei uns mit in den Koffer und wurden schon gebraucht, das Tavegil erst kürzlich weil eine Patientin mit einer Latexallergie entsprechend unglücklich auf einen Roeko Kofferdam reagierte (das Problem ist nie aufgefallen weil wir nur mit Nitril Handschuhen etc arbeiten). Bis man bei angelegtem Kofferdam versteht was der Patient will kann es schon zu spät sein, deswegen erklären wir vorher auch Regeln,Verhaltensweisen und Handzeichen für das Arbeiten mit dem Tuch wie Atmen, Schlucken, Absaugen etc, inklusive „Notabwurf“ vom Kofferdam.

    Pulsoxymeter haben wir günstig auf Ebay gestellt, klappt wunderbar und beruhigt die Nerven.

    Wie teuer ist die Verneblermaske mit Adrenalin? Wir haben entsprechend dem Buch „Primatene Mist“ als Inhalator, kostete aber 80€…

    Gruß Gregor S.

  3. Hallo Miles,

    vielen Dank für diesen sehr wichtigen Beitrag. „Notfälle“ können sehr unterschiedlich sein.

    Bei einem Sonntags-Notdienst vor gut 4 Jahren stolperte eine Patientin beim Verlassen des Gebäudes, in dem sich unsere Praxis befindet, über ihre Clogs und zog sich eine dislozierte Sprunggelenksfraktur zu. Sie schrie vor Schmerzen so laut, dass meine Dame in der Anmeldung sie hörte und mich unverzüglich von meinem Notdienstpatienten wegholte. Der unverzüglich alamierte Notarzt hatte gerade einen Einsatz in der Nachbarstadt und war nach 28 Minuten vor Ort, der Krankenwagen etwa 10 Minuten früher. Da war ich froh, einen Notfallkoffer zu haben, in dem es ein intravenöses zentralwirksames Analgetikum gab.

    Ob und wieviel „Notfallkoffer“ nötig und sinnvoll ist, würde ich deshalb primär von Ort bzw. Lage der Praxis abhängig machen. Je schneller ein Notarzt vor Ort sein kann, desto weniger Ausstattung und Equipment sind nötig. Je länger das dauern kann, desto sinnvoller könnte mehr sein. Das setzt aber natürlich die Bereitschaft für eine aktive Beschäftigung mit dem Thema voraus. Wir haben zum Beispiel einen Trainingsarm und eine Trainingshand zur peripheren Venenpunktion in der Praxis, wo wir regelmäßig phantommäßig trainieren, bevor wir uns auch mal gegenseitig einen Zugang legen.

    Ein weiteres Kriterium wäre meines Erachtens auch die Zusammensetzung des Patientenklientels. Wir haben sehr viele Patienten jenseits des 75 Lebensjahres in Behandlung, von denen wiederum sehr viele multimorbid sind. Und nicht immer sind sie optimal medikamentös eingestellt. Seit letztem Jahr habe ich ein AED-Gerät und bin sehr froh darüber. Und auch hier ist es sicher kein Fehler, das eine oder andere Medikament im Notfallkoffer zu haben… und wenn es nur Aspirin direkt ist, falls bei einem Patienten einen Verdacht auf einen Herzinfarkt hat.

    Herzliche Grüße vom Lande,
    Thomas

    • Hallo Thomas,

      die Sprunggelenksfraktur zählt natürlich im engeren Sinn NICHT als Notfall. Wie Du die Patientin versorgt hast ist zwar „Heromedics“, aber für die meisten Kollegen nicht so machbar, wenn sie es denn überhaupt mitkriegen.
      Klar ist der Standort der Praxis abhängig von der Ausstattung des Notfallequippments. Wenn man seine Praxis neben der Rettungswache hat, wird auch ein Larynx-Tubus zuviel sein ;-)
      Das Patientenklientel spielt natürlich auch eine Rolle. Mit dem Patientenalter über 75 bin ich auch gut ausgestattet, deshalb ist auch jetzt ein AED bestellt.

      LG
      Christian

  4. Erzählt mal einem Sani oder Notarzt das wir Zahnärzte versuchen bei einem Notfallpatienten einen Zugang zu legen, der wird nur „Nadelkissen“ und „Voodoopuppe“ denken dabei (weil wir ihm die schönen Venen versauen), mal abgesehen von den Thromben, die abgeriebenes Material bei fehlerhaft benutzen Braunüle verursachen kann (oder schon passiert sein soll!!!).

    Und auch wenn der Patienten“FALL“ mit dem Sprungelenk ein sehr gutes Beispiel für ein professionelles Team & Notfallkoffer darstellt, solche Verletzungen werden in der normalen Welt auch ohne Analgetikum vom Erst-Helfer versorgt… Klar, das Geschrei ist groß und die umliegenden Anwohner werden denken „typisch brutaler Zahnarzt- und morgen gibts frische Blutwurst beim Metzger nebenan“, aber dann hören wir gar nicht mehr auf mit der Vorsorge und besorgen auch SAM Schienen, etc.

    In dem Sinne: seid gut vorbereitet und müßt es hoffentlich nie einsetzen!

    Gruß Gregor

    • Wie so vieles im Leben, ist auch das Legen eines venösen Zugangs letztlich eine Frage der Übung. Wenn man will, kann man das üben. Ich kenne tatsächlich ein paar Zahnärzte/tinnen, die das ganz gut beherrschen. Und ich kenne Notärzte, die das Zahnärzten beibringen. Es ist technisch sicher nicht schwerer, als eine korrekte Leitungsanästhesie am N. alveolaris inferior zu legen. Und viel leichter als einen MB2 an einem OK6er aufzubereiten. ;-) Natürlich nur für den, der es lernen will. Und um es dann zu „können“, muss man es weiter üben, nachdem man es gelernt hat.

      Das braucht sicher nicht jeder…. zumindest nicht der, der neben der Rettungswache praktiziert oder einen notärztlich versierten Arztkollegen im selben Haus hat.

      Aner Zahnmedizin ist – in meinen Augen – mehr als Dentologie. Ich denke zu einem ZahnARZT gehört ein Minimum an Medizin. Das fängt bei der Anamneseerhebung und ärztlichen Gesprächsführung an, geht über die extraorale Inspektion (und den „diagnostischen Blick“), bis hin zur Pathophysiologie und zur Pharmakologie, dem Wissen von Medikamenten und ihren Wechselwirkungen. (Das ist das, was ich tasächlich als „ganzheitliche“ Zahnmedizin bezeichnen würde.) Denn so lassen sich viele Notfälle schon im Vorfeld sicher vermeiden: durch die Erkennung spezieller medizinischer Risiken beim vor mir sitzenden Patienten.

      Und das ist besser, effektiver und sicherer als jeder Notfallkoffer.

      Beste Grüße vom Lande,
      Thomas Weber

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