Wenn ich ein Schreiner wär….

von Thomas Weber

Seit einigen Tagen gilt sie, die neue GOZ. Verlage und Kammern überschlagen sich mit neuen Kommentaren und Kursen. Was geht wie? Welche Ziffer wann und wie oft? Und in den deutschen Zahnarztpraxen rauchen die Köpfe bei der Einstellung der Praxis-EDV, es glühen die Hotlines bei den Softwarefirmen und auf etlichen E-Mail-Listen ist die Berechenbarkeit und die mögliche Erstattungsfähigkeit spezieller Leistungen seit Tagen das Top-Thema.

Der Alltag hat uns wieder. Wiedereinmal versucht der Zahnarzt, der ja praktisch veranlagt ist, aus den Steinen, die man ihm in den Weg legt, etwas zu bauen, was ihm ein irgendwie hinreichendes Auskommen sichert. Denn auch eine schlechte, völlig unzureichende Gebührenordnungsvorgabe des Staates ist offenbar besser als gar keine.

Dabei bleibt uns doch ein Königsweg offen: die „freie Vereinbarung“ nach § 2 der GOZ:

Durch Vereinbarung  zwischen Zahnarzt und Zahlungspflichtigem kann eine von dieser  Verordnung abweichende  Gebührenhöhe festgelegt werden.

Gut, im Notfall darf man seine Hilfe nicht von einer solchen Vereinbarung abhängig machen. Und auch diese Vereinbarung unterliegt einer Form, die im Absatz 2 des Paragraphen 2 geregelt ist. Ansonsten scheint die Kalkulation offen. Das ist doch was. Keine Begründungspflicht für unseren kalkulierten Preise.  Etwas was Erstaunen und Zweifel hervorruft, aber nur ,weil wir Zahnärzte schon solange dieses Joch mit uns herumtragen, dass wir es als selbstverständlich, vielleicht sogar unverzichtbar empfinden.

Aber ist  etwa ein deutscher Schreiner verpflichtet zu begründen, warum die von ihm
angebotene Tür soviel kostet, wie sie kostet? 

Nein, er wird vielleicht im Angebotsgespräch auf die Qualität des von ihm verwendeten Holzes hinweisen, auf die besonders haltbaren aus deutscher Fertigung Beschläge, die er mit anbietet. Auf seine langjährige Erfahrung in der Herstellung von Türen. Auf seine neue, lasergesteuerte Spezialsäge, die nahezu vibrationsfrei und materialschonend den perfekten Zuschnitt gewährleistet. Auf seine Zuverlässigkeit, seine Termintreue und seinen Entsorgungsservice. Er wird garantieren, dass seine Tür passt, anders als vielleicht die aus dem Baumarkt.
   
Und: natürlich wird er sich bei der Berechnung seiner Gewinnspanne auch nach der Ortsüblichkeit richten.

Aber er wird niemals eine Tür anbieten zu einem Preis, der seine Kosten nicht deckt.
 
Auf seiner Rechnung wird erscheinen:  „für Lieferung und Einbau einer Tür x Euro“,

und kein Konvolut von Leistungspositionen wie zum Beispiel: Anpassen der Bodenfreiheit, je laufendem Zentimeter, Anbringen von Türbeschlägen, je Türseite, oder: Einhängen einer Tür bis 25 kg, je Scharnier, Überprüfung und ggf Nachfetten der Scharniergängigkeit oder Nachpolitur einer vorhandene Zarge. Es gibt eben keine amtliche Gebührenordung für Schreiner, die ihm verbietet zum Beispiel das Schleifen einer Tür zusätzlich zur Lackierung zu berechnen, weil ja das Schleifen notwendiger Handwerksschritt für die Lackierung sei, die 
Lackierung sozusagen als Zielleistung das Schleifen natürlich beinhalte.

Auf seiner Rechnung wird aber immer erscheinen: die benötigte Zeit für seine Leistungen, die Stunden seiner Mitarbeiter und Angestellten, die bei der Herstellung und dem Einbau der Tür angefallen sind. Bei meinem Schreiner ist es jedenfalls so. 

Auf seiner Rechnung wird neben den teuren Beschlägen und Scharnieren  auch die Position „Kleinteile und Verbrauchsmaterial, pauschal“, erscheinen, weil es eben keine Schreinergebührenordnung gibt, die ihm vorschreibt, dass er den Leim, sein Schleifpapier, seine Schrauben und sein Abklebematerial als typisches „Werkstattsverbrauchmaterial“ gar nicht berechnen darf.

Und es gibt keine Schreinergebührenordnung, weil es keine freie Holzverarbeitungsfürsorge und keine private Schreinerkostenversicherung gibt. 

Und trotzdem kann ein Schreiner so überleben. Ein guter Schreiner kann sogar gut überleben.Und es gibt Schreiner, die in der Insolvenz landen. 

Bei den Zahnärzten gibt es die latente Furcht, dass es ohne Gebührenordnungen gar nicht ginge. Es ginge sehr viel besser, aber das ist in einem Land wie Deutschland einfach nicht denkbar.

Wie aber soll ein Patient jemals den Unterschied zwischen Berechnungsfähigkeit und Erstattungsfähigkeit verstehen, wenn schon im Vorfeld die Erstattungsfähigkeit die Berechnungsfähigkeit schlägt?

Ich bin nicht der Zuschussbeschaffer meiner Patienten. Ich bin nur ihr Zahnarzt. Und ich bin keinem Patienten böse, wenn er zu einem anderen Zahnarzt geht, der ihm günstigere Angebote macht.

Aber ich bin kein Schreiner. Und ich praktiziere in Deutschland, in der Freiberuflichkeit als Zahnarzt schon lange nicht mehr berufliche Freiheit bedeutet. Deutschland wäre nicht Deutschland, wenn der in einem Paragraphen eröffnete Spalt zur beruflichen Freiheit, nicht in einem anderen wieder zugeschlagen würde:

Die herbe, ernüchternde Realität ereilt uns im Absatz 3 des Paragraphen 10, der die Fälligkeit der Vergütung und Rechnungslegung der GOZ beinhaltet.

Überschreitet die berechnete Gebühr nach Absatz 2 Nr. 2 das 2,3fache des Gebührensatzes, ist dies  auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen. Auf Verlangen ist die Begründung näher zu erläutern.

Soweit im Falle einer abweichenden Vereinbarung nach § 2 auch ohne die getroffene Vereinbarung ein Überschreiten der in Satz 1 genannten Steigerungssätze gerechtfertigt gewesen wäre, ist das Überschreiten auf Verlangen des Zahlungspflichtigen zu begründen; die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend. Die Bezeichnung der Leistung nach Absatz 2 Nr. 2 kann entfallen, wenn der Rechnung eine Zusammenstellung  beigefügt ist, der die Bezeichnung für die abgerechnete Leistungsnummer entnommen werden kann. Bei Auslagen nach Absatz 2 Nr.5 ist der Beleg oder ein sonstiger Nachweis beizufügen. Wurden zahntechnische Leistungen in Auftrag gegeben, ist eine den Erfordernissen des Absatzes 2 Nr. 5 entsprechende Rechnung des Dentallabors beizufügen; insoweit genügt es, in der Rechnung des Zahnarztes den Gesamtbetrag für diese Leistungen anzugeben. Leistungen, die auf Verlangen erbracht worden sind (§ 1 Abs. 2 Satz 2 und § 2 Abs. 3), sind als solche zu bezeichnen.

Und so wird die „freie Vereinbarung“ doch noch zur „Begründungsfalle“, der Traum vom Honorarfreiheit zum bürokratischen Monstrum.

Da lachen PKV und Kostenerstatter.

Und die berufliche Freiheit verliert wieder einmal.

Der Traum von der Freiheit des Schreiners ist ausgeträumt.

19 Gedanken zu „Wenn ich ein Schreiner wär….

  1. Hallo Herr Weber,

    ich halte Ihren Kommentar für inhaltlich sicher richtig- es gibt genügend Statistiken, die belegen, wie sich die inflationäre Preiserhöhung in unser Leben schleicht (Patienten wie Ärzte).

    Den immer wiederkehrenden Vergleich mit dem Handwerk oder anderen Professionen halte ich allerdings für übertrieben, denn wir sind keine Handwerker, wir sind als Zahnärzte Diagnostiker und Therapeuten zugleich. Da verbietet sich aus berufsethischen Gründen ein solcher Vergleich, denn wir bieten keine Ware und kein Produkt an, sondern wir sind auf Grund unseres Studiums von Medizin und Zahnmedizin in der Lage, Pathologien zu erkennen und zu behandeln.

    Da wir uns aber mit eben doch Handwerkern vergleichen, müssen wir uns nicht wundern, wenn wir nicht als Akademiker behandelt werden (oder von vielen nicht als solche wahrgenommen werden), in dem man uns die Freiberuflichkeit durch Rahmen und Grenzen weiterhin einschränkt (hier stimme ich Ihnen voll und ganz zu). Und zu viele Kollegen haben sich darauf eingelassen, wir haben McZahn zugelassen und die GOZ-Analyse zeigt uns immer wieder eindrucksvoll, dass wir noch lange nicht am Limit waren.

    Maßstab unseres zukünftigen Auftretens sollten Bereiche wie die Juristerei sein, die nach aussen geschlossen auftreten und sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, wenn die nächste Verhandlungsrunde ansteht. Gern erinnere ich an den Beitrag des ausgewanderten Zahnarztes in der Schweiz, der für mich die Zukunft des Gesundheitssystems auch in unserem Land skizziert und da bedarf es eines anderen Lobbyismus als den, der uns durch unsere Verbände geboten wird.

    Viele Grüße,

    KT

    • Lieber KT,

      es ist schön, dass noch jemand die „Berufsethik“ hoch hält. Ich tue das auch. Wenn ich in mein Telefonbuch schaue oder meine Tageszeitung aufschlage, dann sehe ich jede Menge Werbung, die man zu meinen Berufsanfangszeiten noch als „berufsunwürdig“ und „anpreisend“ bezeichnete und die von den Kammern damals strengstens verfolgt und geahndet wurden. Da sehe ich das Produkt „Ästhetik“, dass der eine oder andere Zahnarzt sehr gerne auf Schild oder Homepage bewirbt oder verspricht und die Ware „Zahngesundheit“, die man durch regelmäßige „professionelle Betreuung“ gegen einen nur geringen Preis erwerben kann. Das ist nicht Handwerk, das ist Kaufmann.

      Die Gesellschaft sieht in uns nach meinem Empfinden nicht Handwerker sondern Kaufleute, die Ware jeglicher und beliebiger Qualität verkaufen wollen.

      Freiberuflichkeit bedeutet in Deutschland Sozialversicherungsfreiheit, Gewerbesteuerfreiheit und staatliche Aufsicht durch berufsständische Körperschaften, ein Instrument, das schon totalitäre Systeme nutzten, um eine Kontrolle und Gleichschaltung der beruflichen Tätigkeit akademischer Intelligenz zu gewährleisten. Es funktioniert heute noch.

      Berufliche Freiheit, das heisst seine Tätigkeit nach bestem Wissen, Gewissen und Können in eigener Verantwortung und auf eigenes Risiko ist etwas anderes. Der Schreiner ist nicht mein Bild vom Zahnarzt, der Schreiner ist hier die Metapher für berufliche Freiheit.

      Wir müssen unser Heil nicht länger in bestehenden, sehr unzureichenden Systemen suchen, sondern in uns selbst, in unseren Fähigkeiten, Fertigkeiten, Talenten, in echter beruflicher Freiheit, die natürlich auch Risiken beinhaltet.

      Wir sollten uns darauf besinnen, dass wir Ärzte sind und keine Kaufleute und wir sollten unserem professionellen Ehrgeiz nicht von unzureichenden Instrumenten wie BEMA oder GOZ den Schneid abkaufen lassen.

      Übrigens: Piere Fauchard, dessen Buch „Le chirurgien dentiste“ im Jahr 1728 die moderne Zahnheilkunde begründete, war ein Feldscher, ein Chirurg der Französischen Marine. „Cheirurgikä“ bedeutet nichts anderes als „handwerkliche Kunst“, und der „Chirurg“ ist in seiner Wortbedeutung nichts anderes als ein „Handwerker“.
      Ich schäme mich jedenfalls dieser Tradition nicht.

      Grüße vom Lande,
      Thomas Weber

  2. Lieber Herr Weber, mich wundert es, dass Sie sich wundern und Ihre Gedanken sind so alt wie die GOZ. Wenn Sie als Kunde das recht hätten dem Schreiner seine Preise bestimmen zu können, wie würden die dann sein ? Niedrig oder hoch ? Genau so macht es der Staat, er setz die Preise, die er per Beihilfe zahlen muss natürlich möglichst niedrig an, wäre ja auch blöd, wenn er sie nach oben schrauben würde.
    Aber an diesesem Grundprinzip werden wir nichts ändern. Und da 30 Prozent der Abgeordneten Juristen sind, bekommen die die x-te Erhöhung in wenigen Jahren und dazu noch das Recht, nach Stunden liquidieren zu können.
    Andererseits haben wir zwei Grundpfeiler, die uns die Freiheit garantieren: Der Par. 12 im SGB V beschreibt das ausreichende, zweckmässige und notwendige in der GKV, das uns bei mehr Leistungsanspruch die Möglichkeit gibt, Mehrleistungen zu berechnen. Diesen Paragraphen kann der Gesetzgeber nicht kippen, weil sonst die GKV absolut pleite gehen würde. Und der Par. 2 GOZ, der ebenfalls eine festgeschriebene Grösse ist, denn so ein Pragraph muss in jeder Gebührenordnung drin stehen, sonst wäre das Grundgesetz tangiert.
    Also was tun wir ? Wir nützen diese Instrumente, weil wir keine anderen haben. Natürlich wird das Leben dadurch nicht leichter, aber in andern Lebensbereichen nenne wird das gerne „Markt“ und freuen uns daran, oder ?
    Ich habe neulich einen Zaun in Auftrag gegeben, eine einfache Konstruktion, die aus den alten Eisenpfosten bestand, in die vier Stahlseile verspannt wurden. Natürlich musste man die alten Pfosten entrosten und streichen, wurde ganz nett. Der erste Schlosser machte mir einen Kostenvoranschlag über brutto 5800 EUR, der andere über 1100 EUR … beides war ausreichend und zweckmässig, optisch identisch.
    Wenn ich die Rahmenbdingungen nicht kurzfristig ändern kann, dann muss ich mir die Nischen suchen, die sich bieten. Und ich muss mich mit Kollegen austauschen, Foren, maillisten und solche Blogs bieten ja die Gelegenheit. Ich habe den Begriff „Stabi“ (nicht Stasi) geprägt, was nichts anderes als „Standespolitischen Biofilm“ bedeutet. jeder ür sich, aber untereinander vernetzt, sind wir kaum zu knacken.
    Und ich wette, dass wir mit der neuen GOZ mehr zulegen werden, als in den vergangenen Jahren.
    Grüsse
    WIF

    • Lieber WIF,

      mich wundert nicht das staatliche Preisdiktat, da ist Ihre Analyse absolut treffend. Mich verwunderte zunächst die scheinbar erhaltene Freiheit des § 2 der GOZ, bis mich der § 10 einholte. Und die Begründungspflicht auf Verlagen des Zahlungspflichtigen ist m.W. neu.

      Wenn ich falsche Rahmenbedingungen nicht kurzfristig ändern kann, dann sollte ich versuchen, sie mittel- oder zumindest langfristig zu ändern.

      Das Suchen von Nischen ist ein schon evolutionär bewährtes Mittel des Überlebens. Den Evolutionsdruck und die Richtung der Evolution bestimmen aber weiterhin andere.

      Es mag durchaus sein, dass die neue GOZ uns ganz viele Nischen eröffnet und dass wir „zulegen“ können, wenn das unser Ziel ist.

      Berufliche Freiheit und Perspektiven eröffnet sie uns leider nicht.

      Und es könnte sein, dass das „Zulegen“ im Jahre 2012, das „Abspecken“ im Jahr 2016 bedeutet. Aber das wird die Zeit zeigen.

      Beste Grüße nach Biberach,

      Thomas Weber

  3. „Soweit im Falle einer abweichenden Vereinbarung nach § 2 auch ohne die getroffene Vereinbarung ein Überschreiten der in Satz 1 genannten Steigerungssätze gerechtfertigt gewesen wäre, ist das Überschreiten auf Verlangen des Zahlungspflichtigen zu begründen“

    Ob der 1. Halbsatz zutrifft, entscheidet der Zahnarzt. Ich sehe hier dadurch keine Entwertung der freien Honorarvereinbarung.

    • Michael,

      jetzt hätte ich gern ein Beispiel für eine „ungerechtfertigte“ Überschreitung der Steigerungssätze in einer freien Vereinbarung, die eine Begründung der Überschreitung überflüssig macht.

      Besten Dank und Gruß vom Land,
      Thomas

      • Thomas, aus §5:
        „(2) Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Schwierigkeit der einzelnen Leistung kann auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründet sein. Bemessungskriterien, die bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt worden sind, haben hierbei außer Betracht zu bleiben. Der 2,3fache Gebührensatz bildet die nach Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittliche Leistung ab;“

        Wenn Du dem Patienten sagst: „Ihr Fall ist ein durchschnittlicher, der eine Faktorerhöhung aus obigen Gründen nicht rechtfertigt. Aber das sich dann ergebene Honorar ist mir zu niedrig (GOZ seit 1988 nicht angepaßt etc.), also mache ich mit Ihnen eine freie Honorarvereinbarung“, besteht für Dich bei Abrechnung keine weitere Begründungspflicht, außer auf die vorherige Honorarvereinbarung zu verweisen.

        • Danke, Michael.

          Unterschreiben das Patienten bei Dir? Ich probiers auf jedenfall mal aus.

          Grüße vom Lande, Thomas

        • Ist nicht ganz so einfach: Par 10 Abs 3 sagt ab 2012 unter anderem:
          „Soweit im Falle einer abweichenden Vereinbarung nach § 2 auch ohne die getroffene Vereinbarung ein Überschreiten der in Satz 1 genannten Steigerungssätze gerechtfertigt gewesen wäre, ist das Überschreiten auf Verlangen des Zahlungspflichtigen zu begründen; die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend.“
          Also wenn der Patient eine Begründung will, dann haben wir sie zu liefern. Damit will der Gesetzgeber verhindern, dass mit einer Vereinbarung die Begründungspflicht unterlaufen wird.
          Wir machen aus Gründen der Transparenz bei allen Compositefüllungen auch unterhalb 2,3fach eine Vereinbarung. Eben so „wie bei den Kassenpatienten auch“….
          Grüsse
          WIF

        • Thomas, bei Kassenpatienten ist die freie Honorarvereinbarung bislang kein Problem und bei mir seit Jahren üblich. Bei Privatpatienten habe ich das bislang nur maßvoll bei ZE gemacht. Hinsichtlich GOZ 2012 hat sich noch nichts ergeben.

        • Wilfried, m. E. liest Du den Text falsch. Um Dich verkürzend u. damit vielleicht klärend zu zitieren: „Par 10 Abs 3 sagt ab 2012 (…):
          „Soweit (…) auch ohne (…) Vereinbarung ein Überschreiten (…) gerechtfertigt gewesen wäre, ist das Überschreiten auf Verlangen des Zahlungspflichtigen zu begründen““ Das Schlüsselwort ist hier „soweit“. Eben nur „soweit“ bzw. „wenn“. Wenn nicht, dann nicht. Wenn nicht, dann auch nicht schriftlich, weil die Schriftform nur für den „Wenn“-Fall gefordert ist. Und nein, der Gesetzgeber kann bei einer freien Vereinbarung keine Begründung erzwingen. Das wäre schon verfassungswidrig. Deshalb fordert er nur, was er oben fordert, wobei auch hier schon eine.verfassungsrechtliche Klärung lohnen könnte. Aber wahrscheinlich geht das als Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag noch durch. (Zahnarzt muß wirtschaftliche Interessen des Patienten schützen und die medizinische Begründung für den höheren Faktor angeben, wenn er (!) sie sieht.)

  4. Hallo Herr Weber,

    vielen Dank für die prompte Erwiderung, die ein wenig den urpsprünglichen Beitrag entschärft und mir zugängiger macht.

    Natürlich entstand das Berufsbild der Ärzte aus einer handwerklichen Tätigkeit, so wie es Barbiere und eben auch Feldscher taten (basale „evidence based medicine“). Die von Ihnen angesprochene Evolution brachte aber eine Rückbesinnung auf das Studieren und erbrachte die Entwicklung- kurz gesagt- eines akademischen Standes. Nun bin ich sicher kein Freund von Standesdünkel, aber die Weiterentwicklung unseres Selbstbildes führt weg vom Handwerker an sich (von den alten Griechen, den Arabern, auch über Fauchard, der sich mit seinem Werk auch emanzipierte (das kann man schon fast wörtlich nehmen, denn es führte ja später in die Freiberuflichkeit).

    Ich halte auch nichts von übertriebenen Idealismus, aber sie halten auch eines hoch: „Wir müssen unser Heil nicht länger in bestehenden, sehr unzureichenden Systemen suchen, sondern in uns selbst, in unseren Fähigkeiten, Fertigkeiten, Talenten, in echter beruflicher Freiheit, die natürlich auch Risiken beinhaltet.“ Und dies kann, wenn Filz und Opportunismus nicht mehr tonangebend für die praktisch tätigen Zahnärzte ist, zu einer Weiterentwicklung führen.

    Eine Loskopplung vom Wirtschaftsgedanken halte ich im Übrigen für erstrebenswert, aber im BMG fragt ja keiner, warum ein Liter Bonding 10000 Euro kostet…

    • Hallo KT,

      das Berufsbild des Arztes entstand aus dem vorklassischen Schamanen, Medizinmann, dem ägyptischen „Arzt-Priester“ bzw. dem klassischen Asklepios-Priester.
      Er vermittelte zwischen Gott und Mensch. Der Gott schenkte die Heilung, die Natur half zuweilen dabei. Natürlich gab es immer empirisch-rationale Elemente, aber die Orientierung war letztlich „magisch“ bzw. theistisch. Hippokrates von Kos stand noch sehr in dieser Tradition, obwohl er durch seine Fallbeschreibungen als Vater der wissenschaftlichen Medizin gilt. Aus dieser Zeit überkommen ist m.E. die ständische Berufsbetrachtung. Der „Ärztestand“ hatte spätestens seit ihm eigene rechtliche, soziale und kulturelle Normen, sein Zusammenhalt basierte auf Gemeinsamkeit in Beruf und dessen Ethik. Sie sind im berühmten „Eid des Hippokrates“ formuliert.
      Wer kennt ihn noch und wer hält sich daran? Ich würde es nicht „Standesdünkel“ nennen, sondern „Standesbewusstsein“. Die Politik der 70er Jahre hat daraus ein „Unwort“ gemacht. Schade eigentlich.
      Eines ist sicher: Hippokrates hätte eine Gebührenordnung nicht gebraucht.

      Beste Grüße vom Lande,
      Thomas Weber

  5. Nochmals Thema Par 10 (3) GOZ.
    Ich habe einen namhaften Medizinrechtler gefragt:
    Ich habe völlig vergessen, am Sa. zu Par.10 (3) GOZ eine Frage zu stellen, die mich beschäftigt:(3)(…) Soweit im Falle einer abweichender Vereinbarung nach § 2 auch ohne die getroffene Vereinbarung ein Überschreiten der in Satz 1 genannten Steigerungssätze gerechtfertigt gewesen wäre, ist das Überschreiten auf Verlangen des Zahlungspflichtigen zu begründen; die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend. (…)
    Meine Frage: „Heisst das, dass ich auch bei einer Vereinbarung auf Verlangen begründen muss, obwohl der Patient das ja vorher unterschrieben hat ? “
    Seine Antwort: „Ja, das heißt es.“
    Meine Frage: „Reicht hier dann die mündliche Begründung ?“
    Seine Antwort: „Nein. Schriftlich steht explizit in Satz 3. Mündlich reicht nur, wenn der Patient nicht mehr wissen will. Geht es um Erstattungsfragen, reicht es nicht.“

    Grüsse
    WIF

        • Wilfried,

          die Frage ist doch, wie es mit der nachträglichen Begründungspflicht bei freier Honorarvereinbarung aussieht, wenn es keinen medizinischen Grund für das höher als 2,3fach vorher vereinbarte Honorar gibt und sich dieser im Laufe der Behandlung auch nicht ergeben hat.

          Es kann hier keine Begründungspflicht geben, weil sie die freie Honorarvereinbarung konterkarieren würde, in verfassungsrelevanter Weise. Die Frage kann nur noch sein, ob der Zahnarzt schriftlich, mündlich oder überhaupt dem Patienten mitteilen muß, daß sich nach der freien Honorarvereinbarung keine abrechnungsrelevanten, neuen Aspekte ergeben haben.

          Daß es eine schriftliche Begründungspflicht gibt nach freier Honorarvereinbarung, wenn es medizinische bzw. in der GOZ genannte Gründe für das Überschreiten von 2,3fach gibt, ist unstrittig bis wahrscheinlich (hatte ich schon geschrieben).

          Grüße

          M.

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