Neulich bei Gericht …

von Jörg Schröder

Gelbe Fensterumschläge mit Amtssiegel und förmlicher Zustellung bereiten mir immer ein gewisses Unbehagen. Zu schnell gefahren? GEZ nicht bezahlt oder gar Schlimmeres? Wenn nach dem Urlaub drei Schreiben dieser Art im Poststapel liegen bewegt sich die Gemütslage sehr schnell auf den maximalen Tiefpunkt.

Nach dem Öffnen springt mir das Wort „Vorladung“ entgegen. Schnell den weiteren Inhalt überflogen und:

Entwarnung. Ich sollte als Zeuge gehört werden. Zu einem Sachverhalt der mehr als 5 Jahre zurücklag.

Der Patient kam damals aufgrund funktioneller Beschwerden in meine Praxis. Bei der Befundung fielen, um es mit den Worten eines Freundes zu sagen, die „suboptimalen“ Kronenränder an den Zähnen 23-12 auf. Auf Nachfrage war zu hören, dass diese Kronen gerade einmal 6 Monate im Mund waren. Ich hatte dem Patienten daraufhin empfohlen das Gespräch mit dem Vorbehandler zu suchen und bei der Krankenkasse das weitere Vorgehen zu erfragen.

Nach nun mehr als 5 Jahren sollte ich jetzt vor Gericht eine Aussage zur Qualität der Kronenränder im Jahr 2004 machen. Die drei Umschläge enthielten die erste Ladung sowie je eine Terminänderungsmitteilung. Alle förmlich zugestellt.

Der Gerichtstermin war praxisfreundlich: Montag Vormittag 11.00 am anderen Ende der Stadt. Kein Problem. Bei einem Terminvorlauf von vier Monaten geradezu ein Klacks einen kompletten Vormittag  umzubestellen. Dazu eine ungewisse Dauer der Verhandlung.

Der Inhalt des Beratungsgespräches sowie die erhobenen Befunde waren gut dokumentiert. In einem Anflug unendlicher Kindsköpfigkeit rief ich bei Gericht an und schilderte den Sachverhalt: dass ich meine Aussage nur auf meine Behandlungsdokumentation stützen kann, da der Fall sehr weit zurückliegt und ich angesichts der mir entstehenden wirtschaftlichen Nachteile durch den Praxisausfall von einem Vorlesen aus meinen Behandlungsunterlagen absehen möchte, ich die vollständigen Unterlagen jedoch gerne zur Verfügung stelle.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass sich mittlerweile auch ein Gutachter mit dem Fall beschäftigt hatte, sodass auch noch eine gewichtigere als meine Aussage zur Verfügung stand.

Mein Ansinnen wurde abschlägig beschieden. Also auf zu Gericht. Nach 1,5 Stunden war es vorbei.

Ob ich einen Antrag auf Aufwandsentschädigung stellen möchte. Es gäbe etwas mehr als 17 Euro pro Stunde Aufenthalt bei Gericht dazu An- und Abreise sowie die Fahrtkosten. Zwei Etagen höher im Zimmer xxx. Dort nach Anklopfen eingetreten und mein Anliegen vorgetragen. Für 2,5 Stunden Aufwand inkl. An- und Abreise ein Formular ausgefüllt und dann Entsetzen in den Augen der Mitarbeiterin: „Mit dem Taxi ????“

Warum ich nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln angereist sei? Da konnte ich nicht anders als ihr zu erläutern, dass mich der heutige Vormittag bereits eine vierstellige Summe  gekostet hatte und ich mir nicht vorschreiben lasse wie ich zu Gericht anzureisen denke. Nach Hinzuziehung der unmittelbaren Vorgesetzten die dann wiederum für weitere 5 Minuten verschwand endlich die gute Nachricht. Man werde eine Ausnahme machen.

Geradezu betäubt von soviel Entgegenkommen machte ich mich mit einem dauerhaften inneren Kopfschütteln auf den Weg in meine Praxis.

Klar, warum es in diesem Land nicht rund läuft.  Die Nachforschungen zum Thema „Taxifahrt“ kosten mehr Geld als hinterher erstattet werden muss, Bürokratie geht vor Pragmatismus und es dauert 5 Jahre bis ich als Patient zu meinem Recht komme.

Kopfschütteln ist alles was geblieben ist.

Ein Gedanke zu „Neulich bei Gericht …

  1. Jörg,
    wir haben es in dieser Demokratie mit zwei Wirtschaftssystemen und 2 Hauptmentalitäten des Menschen zu tun: Zum einen die Planwirtschaft, Beamte und der Hang zum Faulsein (Vorsicht, nicht ernst gemeint….!) und zum anderen Kapitalismus, Selbständigkeit und Schaffe-Schaffe-Mentalität.
    Die erste Fraktion benimmt sich so, als wenn ihr System Gott gegeben oder Sozialismus gegeben ist, während die andere Seite sich ständig verar… vorkommt.
    Das sind die beiden Pole, die – ach – in jeder Brust wohnen. Warum nicht auch in meiner?
    Ich hab´nur einen Pol… und rege mich genau wie Du über den anderen Pol auf, wenn er mir in Gestalt von Gerichtsdienern:-), Lehrern:-) oder Sozialisten:-( über den Weg läuft.
    Vorsicht alles Satire:-)
    Grüssle an den Schwaben in Berlin:-)

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