Plötzlich allein, was nun, was tun ?

Vor 15 – 20 Jahren haben wir vielleicht noch verwundert den Kopf geschüttelt, wenn belgische oder französische Kollegen berichteten, dass in Zahnarztpraxen ihres Landes in vielen Fällen (Frankreich kolportierte bis 80 Prozent) ohne Stuhlassistenz gearbeitet wurde.

Heute sehe ich zahnmedizinisch extrem motivierte KollegInnen, die sich darauf einstellen, ohne MitarbeiterInnnen zu arbeiten. Andere wiederum sind froh, wenn ihnen zumindest für wenige Stunden in der Woche Zahnmedizinstudenten zur Seite stehen können.
Geht natürlich nur an Unistädten.Der Landzahnarzt bleibt – wie bei so vielem – auch hier aussen vor.

So oder so wird sich der Arbeitsalltag zukünftig einschneidend verändern.
Und man kann lamentieren, solange man möchte, allein, es wird nichts ändern.

Daher –

„Glücklich ist , wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist – wenn das Leben Dir Zitronen schenkt, mach Limonade draus, jede schlechte Nachricht ist auch eine Chance zum Guten hin und – der aktuellen PISA-Studie ultimativ entgegensetzend ein ehemals gymnasialoberstufliches Literaturzitat – frei übersetzt nach Giuseppe Tomasi di Lampedusa – „Se vogliamo che tutto rimanga come è, bisogna che tutto cambi.

„Alles muss sich ändern, damit bleibt, was ist, wie es ist“

Lauter mehr oder weniger abgedroschene Sprüche.
Die uns am Zahnärztestammtisch, aber nicht im richtigen Leben weiterhelfen.

Was tun, damit uns die Welle nicht überrollt.
Vielmehr wir idealerweise auf dieser Welle davonsurfen können.

Hier ein 3 Stufen – Handlungsfaden.

  1. Die Analyse
    Halten wir fest.
    Alles wird anders sein.
    ALLES.

    Deshalb müssen wir uns drüber im Klaren sein, das nichts mehr hilft von dem, was bisher hilfreich war. Wir können daher davon ausgehen, das der Superorganismus Zahnarztpraxis auseinanderbrechen wird, aufhören wird, zu existieren.

    Das ist bitter.
    Das ist unbequem und es ist lästig, sich damit beschäftigen zu müssen.
    Aber es hilft nix.
    Wir müssen es tun.

    Die Mitarbeiter sind schon weg.
    Oder gehen bald weg.
    Und kommen in absehbarer Zeit (Zeitrahmen 10 Jahre) nicht wieder.
    Möglicherweise auch gar nicht mehr, nicht mehr wieder.

    Warum ???
    Anstrengende Arbeit. Und die Bezahlung ist jetzt nicht so üppig, dass sie besagte Anstrengungen,

    im Laufe der Jahre immer beschwerlicher geworden, man denke nur an die stetig steigende Erwartungshaltung der Patienten und der auf der Strecke geblieben höfliche Umgang der Patienten mit Behandlern und Team,

    adäquat kompensiert.
    Schon gar nicht überkompensiert.

    Und das Renomee der Tätigkeit?
    Gering.

    Hinzu kommt. Andere Branchen suchen auch händeringend.
    Nehmen sehr sehr gerne – würden wir es nicht genauso machen – was sie kriegen oder abwerben können. Es winkt also – das Damoklesschwert über unseren Häuptern – für unsere Mitarbeiter – eine deutlich weniger stressige, deutlich besser bezahlte, von der Gesamtheit der Rahmenbedingungen her wesentlich angenehmere Möglichkeit des Gelderwerbs.
    Und schon stehen wir – wenn ´s schlecht kommt – ruck-zuck alleine da.
  2. Die Schlussfolgerung.
    Genauer gesagt, man wähle eine der drei möglichen Schlussfolgerungen
    • Weiter, weiter!!!
      Wer weitermacht wie bisher …braucht erst mal viel viel mehr Geld. Um die gestiegenen Löhne zahlen zu können. Aber auch das allein wird nix nutzen. Höchstens die notwendige Neuaufstellung herauszögern. Und glauben Sie mir, das wird eine zähe Zeit. Und mit jedem Jahr, das vergeht, ätzender. Weil mit dem Geld alleine ist es ja nicht getan. Es gilt die Mitarbeiter bei bester Laune zu halten und es ist eine zu tiefst menschliche Eigenschaft, eine Notsituation ich will nicht sagen auszunutzen, aber doch zum eigenen Vorteil zu verwenden.
    • Fehlende Manpower durch Technik ersetzen!!!
      Keiner mehr da, der ans Telefon gehen kann ?
      Dann nutze ich eben ein Online-Terminbuch!
      Niemand mehr da, der meine HLP´s bearbeiten kann?
      Dann nutze ich einen externen Abrechnungsservice!

      Wer so denkt, denkt zu kurz.
      Zum einen kosten all diese Services eine Menge zusätzliches Geld, denn es will ja immer noch jemand zusätzlich an dieser Dienstleistung mitverdienen. Und der externe Mitarbeiter will ja auch – siehe oben – an der Notsituation betriebswirtschaftlich partizipieren, sprich auch das kostet Extra-Geld. Die externe Kraft ist also nicht günstiger, sondern deutlich teurer. Und eine Verbundenheit zur Praxis ist vermutlich auch nicht gegeben, woher auch? Es gibt es kein direktes Feedback und auch das Arbeiten per se ist der unmittelbaren Kontrolle durch den Praxisbetreiber entzogen. Und was der Ersatz von Mensch durch Maschine angeht -da wäre noch der Umstand, dass eine komplexe Technik immer auch eine gewisse Fehleranfälligkeit mit sich bringt. Die außerhalb unseres Handlungsrahmens liegt und im ungeeignetsten Augenblick sich auftut (Montag morgen, der Server streikt) und dann ad hoc weitere kostenintensive Sofortmaßnahmen mit sich zieht.
    • Weniger ist mehr!
      Ein Ausdruck aus der Achitektur-Geschichte. Ein weltberühmtes Zitat, Mies van der Rohe zugeschrieben, einst Direktor des Bauhauses. Soll heissen…

  3. Der Ausweg
    Das System ist für uns am Ende.
    Wir müssen uns neu orientieren.
    Neu aufstellen.
    Unsere Arbeit neu bewerten.

    „Zurück zur Natur“ rief Jean-Jaques Rousseau, der grosse Aufklärer.

    „Wir haben uns verrannt, wir müssen umkehren mit unserer Kultur, zurück zur Natur, um dann, dort angelangt, einen neuen Weg, einen besseren Weg, den Weg zum Glück, zu finden!“

    Dieser Satz ist nicht von Rousseau selbst, sondern ist von Rudolph Hawel stammend, einem Science Fiction-Roman entnommen.
    Eine Utopie demnach?
    Keineswegs.
    Vielmehr eine Richtschnur zur Selbsterkenntnis.
    Wo genau ist die Zahnmedizin falsch abgebogen?
    In dem Moment, als die Dental-Manufaktur aufgegeben wurde, der Arzt sich als Betreiber einen Dentalfabrik institutionalisiert und der Henry Ford´schen Fliessbandarbeit sich zugewandt hat.

    Und genau dorthin müssen wir zurück.
    Der Zahnarzt als (Handwerks)Meister seines Faches.
    SO einfach ist ES.
    Wenn man DAS verstanden hat.

    wird fortgesetzt…



2 Gedanken zu „Plötzlich allein, was nun, was tun ?

  1. Moin Hawi,

    Ich habe ja mit meiner Praxis 2022 genau so begonnen.
    Online Terminbuch
    Eine zfa
    Keine Rezeption und online Termine sowie externe Abrechnung.

    Du schätzt die externe Abrechnung falsch ein – die können sehr wohl eine Bindung zur Praxis haben. Auch ein ausnutzen eine Notlage sehe ich da eher nicht – das ist für die ein normales Business. Man macht einen Vertrag und zahlt pro Stunde Summe x die vereinbart wurde.

    Unterm Strich war die externe Abrechnung gerade am Anfang günstiger als eine zmv zu finden die das intern übernimmt.

    Ich bin gespannt auf deine Fortsetzung

    Georg

    • Hallo Georg,

      natürlich kann ein externer Abrechnungsservice einen Nutzen haben. Insbesondere in Zeiten, in denen man gar keine Mitarbeiter findet. Und es ist genau wie Du sagst. Ein normales Business. Damit stützt Du aber meine These. Wenn jemand mehr bietet als Du, ist der Mitarbeiter weg. Das ist auch vor Ort so. Aber wenn ein Markt kein lokaler mehr ist, sondern man/frau deutschlandweit agieren kann, dann erhöhen sich extrem deren Möglichkeiten. Und es wäre naiv zu glauben, dass dies nicht einen Widerhall findet. Stelle Dir vor, Du könntest Dir deine Patienten deutschlandweit aussuchen… es würde deine Praxis definitiv verändern. Und genau damit werden wir in Zukunft umgehen müssen, die Mitarbeitersituation betreffend.

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