Medizinprodukteverordnung – wird Geschichte fürs Endozän?

Nun ist  es da – MDR (Medical Device Regulation).

Die neue EU-Verordnung zu Medizinprodukten (Medical Device Regulation Nummer 2017/745) ersetzt zwei Medizinprodukte-Richtlinien, die
Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte (Medical Device Directive, MDD) und die
Richtlinie 90/385/EWG über aktive implantierbare Medizinprodukte (Active Implantable Medical Devices, AIMD).

Einige Kollegen, welche ich zu dem Thema ansprach zuckten nur mit den Schultern, ist mehr für die Labore interessant, meinten diese. Die Dentallabore schicken nun seit MDR ganzseitige Listen zu ihren Arbeiten.

Da täuschen sich die Kollegen sehr.
MDR schlägt bereits bei uns zu – gnadenlos.

In einem Gespräch mit einem Dentalhändler habe ich letztens erfahren, daß er fast täglich seitenlange Listen von ausgelitsteten Medizinprodukten erhält. Diese werden nicht mehr in die EU geliefert oder vorhandene nicht mehr repariert oder gewartet!
Wir wollten von einer unserer Sybronendo Obturation Unit’s den Extruder reparieren lassen. Das geht nicht mehr. Kerr hat den Service wegen MDR eingestellt.
Kerr ist jetzt mit KAVO ein Tochterunternehmen der Envista Corporation/ USA.

Auf deren Webseite kann man lesen:

Aufgestellt für anhaltenden Erfolg

2017 entsteht KaVo Kerr – zwei führende, globale Dentalunternehmen, synergetisch vereint, um dem Dentalmarkt ein komplementäres Angebot von der Praxisausstattung bis hin zu Verbrauchsmaterialien aus einer Hand zu bieten. KaVo Kerr verbindet eine gemeinsame Vision, die unsere Kunden, deren Patienten und unsere eigenen Mitarbeiter inspiriert und unterstützt, ihr gesamtes Potential zu verwirklichen.

Das hat nun ein schnelles Ende gefunden, mit dem Potential verwirklichen, weil die EU Bürokratie neue Regeln erstellt und die Firmen diese nicht umsetzen und lieber nicht mehr in die EU verkaufen. Dabei ist MDR eine Folge des Brustimplantateskandals (Die französische Firma Poly Implant Prothèse (PIP) hat Brustimplantate mit Industriesilikon befüllt.).

Und wenn man nun im Netz etwas zum MDR googelt, dann kommen auch solche Stimmen zu Wort, die uns nachdenklich lassen werden sollten.

Zitat Johner Institut:

  1. Kritik an der MDR

a) Gefahr für Patientensicherheit
Durch die erhöhten Anforderungen, die gestiegenen Kosten und die unzureichende Anzahl und Kapazität Benannter Stellen besteht zu befürchten, dass Medizinprodukte nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen.
Die Neue Zürcher Zeitung übertitelt einen Artikel zur MDR mit „Wenn die Politik ein Monster gebiert“. Die Zeitung hat leider Recht: „Es wird unweigerlich zu einer Konsolidierung kommen. Entweder werden die Kleinen aus dem Markt gedrängt oder zu Zulieferern der Grosskonzerne degradiert.„
In einem weiteren Artikel vom 12.02.2018 äußert die Zeitung sogar die Bedenken, dass notwendige Produkte nicht mehr im Markt verfügbar sein werden. Die Autoren schlussfolgern: „Das ursprüngliche Ziel der neuen Regulierung, die Patientensicherheit bei Medtech-Produkten zu erhöhen, dürfte verfehlt werden.„
b) Gefährdung der KMUs
Die Medical Device Regulation ist völlig an ihrem selbstgesetzten Ziel gescheitert, eine Regelung zu schaffen, die auch für kleine und mittlere Unternehmen beherrschbar ist.
Wie soll ein solches KMU ein 175-seitiges Werk lesen und verstehen können?
Woher soll ein KMU die Mittel nehmen, um eine weitere Rolle, den „Compliance Officer“ zu besetzen?
Weshalb werden die meisten Apps in die Klassen IIa und höher klassifiziert, was eine Benannte Stelle erfordert und die Kosten explodieren lässt? (Lesen Sie hierzu einen separaten Artikel)
Weshalb bedarf es neben den harmonisierten Normen nun zusätzlich der Common Specifications? Waren die Normen wirklich unzureichend? Oder wollte die Kommission sich nur ein Instrument schaffen, um lästige Diskussion mit den Normengremien mit Gewalt zu zu beenden? Weshalb maßt sich die Kommission ein besseres Fachwissen an? Dass Sie auf diese Weise quasi beliebig neue Anforderungen formulieren kann, verwundert. Alles vorbei an jedem parlamentarischen Prozess …
c) Wettbewerbsnachteile durch Kosten
Die Hersteller müssen mit höheren Kosten rechnen, die entstehen durch
gestiegenen Anforderungen an die Dokumentation,
die Pflicht zur erneuten Zulassung, d. h. ein erneutes Durchlaufen der Konformitätsbewertungsverfahren von bereits unter der MDD zugelassenen Produkten
die höheren Aufwände für die Marktbeobachtung (Post-Market Surveillance und Post-Market Clinical Follow-up),
zusätzliche Meldungen, z. B. an die EUDAMED,
Systeme zum Erstellen und Nachverfolgen der UDI,
die Pflicht zur Einführung eines Compliance Officers.
Die Komplexität der Materie zwingt viele Hersteller dazu, vor einer Inverkehrbringung externe Beratung in Anspruch zu nehmen.
Das Johner Institut ist sich dieser Problematik bewusst und bietet im Rahmen des Micro-Consultings in eingeschränkten Umfang sogar kostenlose Unterstützung an.
Die NZZ befürchtet 18 Mrd. EUR an Kosten für die Medizintechnikfirmen, um die Anforderungen der MDR zu erfüllen.
Auch der BVMed klagt in seinen „BVMedNews“ 41/17 und 42/17 gar von einem sinkenden Innovationsklima wegen der Regularien. Man schreibt zudem „in Kombination mit einer tiefen Verunsicherung hinsichtlich der MDR-Umsetzung für KMU eine tödliche Kombination, da sie mittel- und langfristig den Wirtschaftsstandort Deutschland schwächen, zu reduzierten Investitionen sowie dem Verlust von sozialversicherungspichtigen Arbeitsplätzen führen!“
Daher fordert der BVMED, dass der „kleine Mittelstand auch durch die umfassenden neuen klinischen Anforderungen […] besonders hart getroffen werde“ und „ein nationales Förderprogramm für diese KMUs ist für das Überleben des Klein-Mittelstandes dringend notwendig“ sei.
d) Es gab keinen Grund
Auch der BVMed, der Bundesverband Medizintechnologie, scheint Bedenken zu haben. In einer Pressemitteilung gibt der Verband seine Sicht der Dinge wider:
„Bei Medizinprodukten gibt es kein Regelungsdefizit, sondern eher ein Vollzugsdefizit. Daher sind bessere Kontrollen durch die Benannten Stellen und die zuständigen Aufsichtsbehörden bei Herstellern und im Markt sinnvoll.“
Dieser Aussage kann man absolut zustimmen: Wenn man sieht, welche Unterlagen bei Audits durchgewunken wurden, wie häufig und wie intensiv die Behörden prüfen, fragt man sich manchmal schon, ob da überhaupt eine Prüfung stattfand. Eben ein Vollzugsdefizit.
Den Beweis, dass wir ein regulatorisches Problem hatten, das die MDR lösen müsste, ist die EU-Kommission schuldig geblieben.
e) Fazit
Auch wenn wir als Beratungsunternehmen vielleicht von den neuen Regularien profitieren: Freuen können wir uns darüber nicht. Denn mit der MDR schaden wir den Bürgern mehr, als wir ihnen nützen. Die horrenden Kosten, die letztlich das Gesundheitswesen zu begleichen hat, die Toten, die es geben kann weil Medizinprodukte nicht verfügbar sind, all das zählt niemand.

Was man unbedingt hinzufügen muss. Es fehlen in den medizinischen Einrichtungen die MItarbeiter, die diese gutgemeinten Vorgaben umsetzen können.

Es ist an der Zeit in den politischen Entscheidungsgremien ein zertifiziertes QM System zu installieren, welches die praktische Umsetzung der eigenen Regelungen überprüft und in Testläufen kritisch begleitet.

2 Gedanken zu „Medizinprodukteverordnung – wird Geschichte fürs Endozän?

  1. Heute morgen im Radio bei SWR 2.
    Weltweites Bürgermeistertreffen in Berlin, die Auswirkungen der Corona – Pandemie erörternd. Ein deutscher Vertreter im Interview. Covid bringt Chancen für die Städte. Es gilt, die Städte “krisenresilienter” zu machen. Und fehlende Gewerbeflächen sollen in Wohnraum umgewandelt werden, man möchte einen tollen Mix aus Gewerbe, Wohnen, Kultur. Klingt super. Der Phönix aus der Asche. Vorsichtig kritisches Nachfragen des Reporters. Wie das Alles gehen soll? Wohnraum in der Innenstadt ist teuer. Ja, stimmt, erst müssten die Preise fallen. Ob es vielleicht ein Fehler war, Immobilien an private Grossinvestoren billig abzugeben? Ja, stimmt und Geld ist keines da, weder für Wohnraum noch für staatliche Mitarbeiter, die notwendig wären, um all die genannten Traumschlösser zu verwirklichen.

    Für mich klang das alles nach tollen Plänen, die wortreich von “Beratern” an die Politik herangetragen werden, gutklingend, aber bei der Umsetzung in die Realität stellt man fest, alles fällt wie ein Kartenhaus zusammen. Dazu eine kleine Anekdote aus Bad Kreuznach. Wir haben jetzt ein mehrere Millionen teures Fahrradparkhaus, in dem kaum Fahrräder stehen. Und seit 3 Wochen Fahrradspuren in der Stadt, die zwischen 2 Auto-Fahrspuren in der Mitte sich befinden. Und teilweise im Nirgendwo enden, wie der Stadtrat nach der Eröffnung beim Abfahren dummerweise feststellen musste. Dafür haben wir seit gestern Tempo 30 in den beiden Hauptstrassen der Stadt. Wie sagt Thomas “Memorix” Weber immer so schön

    #Deutschland_ist_nicht_zu _retten

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