Entscheidungshilfe

von Jörg Schröder

Eine der für mich wichtigsten Erkenntnis, seitdem ich meine Praxiszeit endodontischen Behandlungen auf Überweisungsbasis widme, ist die Auswahl der von mir als erfolgversprechend behandelbar einzuschätzenden Fälle wohlüberlegt zu treffen.

Die Gründe für meine Entscheidung gegen den Zahnerhalt sind vielschichtig.

So kann es technisch sehr schwierig oder unmöglich sein, ein über den Apex hinaus verbrachtes Instrumentenfragment zu entfernen, da eine Visualisierung desselben nicht möglich ist und das Fragment eine deutliche Strecke im Kanal eingebolzt zu sein scheint. Was das DVT zeigt, das 2D-Bild jedoch noch nicht einmal erahnen lässt.

Dass die apikale Aufhellung zwar auch bei Belassen des Fragmentes in Folge der Revisionsbehandlung ausheilen kann, wurde in der Aufklärung erwähnt. Wenn die Praxis sich ausschliesslich auf endodontische Behandlungen spezialisiert hat, erachte ich ein „könnte ausheilen“ für nicht ausreichend, wenn zudem das knöcherne Angebot für die implantologische Alternative mehr als ausreichend ist. Auch die finanziellen Ressourcen und die Grundeinstellung der Patientin zum unbedingten Zahnerhalt beeinflusst die Entscheidung.

Ohne die dreidimensionale Diagnostik würde ich, wie vor dem 1.3 2011, aufgrund meiner klinischen Erfahrung entscheiden. Und sicher häufiger Behandlungen versuchen, von denen ich besser abgesehen hätte. Die mich meine Erfahrung aus vielen, hier bei Wurzelspitze veröffentlichten, „Saving-Hopeless-Teeth“-Fällen einige Behandlungen als behandelbar einschätzen lassen würden.

Zum Beispiel wie im nächsten Fall. Frontzahntrauma vor 30 Jahren im Alter von 7 Jahren.

Wenngleich die WF im 21 recht homogen erscheint, ist zu vermuten, dass hier mehr als 10 Guttaperchaspitzen benutzt wurden, um das große Lumen zu füllen. Die Zwischenräume sind in der Regel stark kontaminiert. Trotz der mechanisch ungünstigen Prognose, würde ich die Behandlung als erfolgversprechend erachten, hat sich der Zahn doch trotz gegossenem Stiftaufbau und suboptimaler Obturation über 30 Jahre gut gehalten. Doch hätte ich ohne DVT das nach palatinal dislozierte Wurzelfragment erkannt, das eine erfolgreiche Behandlung unmöglich, oder zumindest im Vergleich zur Implantat- oder Brückenalternative erheblich weniger vorhersagbar macht? Nein.

Klinisch zeigt dieser 36 ausser einer Perkussionsempfindlichkeit keine Symptome.

Radiologisch ist er mit einer klar erkennbaren apikalen Pathologie behaftet. Der vollständige Verlust der knöchernen bukkalen Lamelle über der mesialen Wurzel, die deutlichen Anzeichen einer infektionsbedingten extraradikulären Infektion -Befunde, die das DVT klar zeigt – lassen in meinen Augen keinen vorhersagbaren Erfolg erwarten.

Der nachfolgende 37 hat eine sehr spannende Anatomie. Die mich durchaus reizte, die Behandlung in Erwägung zu ziehen.

Allerdings äusserte der Patient, ärztlicher Kollege, kein gesteigertes Interesse an einem unbedingten Zahnerhalt und war nach gemeinsamer Auswertung des DVT sehr zufrieden, sich nun guten Gewissens von 37 trennen zu können und der implantologische Versorgung den Vorzug zu geben.

So ist das DVT nicht nur bei der Planung des technischen Vorgehens einer Behandlung eine Bereicherung und hilft Komplikationen zu vermeiden, sondern stellt für mich eine hervorragende Entscheidungshilfe hinsichtlich der grundsätzlichen endodontischen Behandelbarkeit eines Zahnes zur Verfügung.










2 Gedanken zu „Entscheidungshilfe

  1. Moin Jörg,

    der 47 wäre eine klassische Indikation für eine WSR.

    Da es sich um eine Pfahlwurzel handelt müsste man den Zahn Extrahieren und Extraoral die WSR durchführen.

    Gruß Georg

    • Ein interessanter Ansatz. Angesichts des koronalen Hartsubstanzverlustes und der nach WSR zumindest geringfügig verkürzten Wurzellänge und der Notwendigkeit der prothetischen Versorgung würde ich mich, wenn es mein Zahn wäre, für die prognostisch wesentlich günstigere Versorgung entscheiden. Meine Erkenntnis in den letzten 35 Jahren: Nicht alles was theoretisch möglich ist, sollte durchgeführt werden, wenn es erfolgsversprechendere Alternativen gibt. LGJ

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