Offener Brief an den Landesminister für Gesundheit zur Nichtanpassung der GOZ seit 2012

von Guido Vorwerk

Hamm, den 19.03.2018

Sehr geehrter Herr Minister Laumann!

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen und uns im Rahmen der Frühjahrstagung der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe ein Grußwort gehalten haben. Im Verlaufe dieser sehr netten Rede haben Sie uns aufgefordert die Freiberuflichkeit nicht schlecht zu reden. Einverstanden, nur wenn ich an die Entwicklung in unserem Bereich im Laufe der letzten 35 Jahre denke, solange bin ich Zahnarzt, sehe ich wenig Grund zum Optimismus. In meinen Augen werden wir von Politikern jeglicher Couleur als vernachlässigbare Gruppe betrachtet, wenn es um die gerechte Honorierung unserer sehr erfolgreichen Leistung für die Volksgesundheit geht. Sie selbst haben auf die entsprechenden wissenschaftlichen Untersuchungen Bezug genommen.

Die GOZ ist 1988 erlassen worden, 2012 geringfügig „verschlimmbessert“, aber nicht ansatzweise den wirtschaftlichen und bürokratischen (Zusatz-)Notwendigkeiten angepasst, worden. Da auch 1988 schon nur eine kostenneutrale Umsetzung der aus den 60er Jahren stammenden Vorgängergebührenordnungen erfolgte, ist die Nichtanpassung noch deutlich länger andauernd.

Die Nutzung des Steigerungssatzes über 2,3 mit dem erforderlichen Zusatzaufwand der Begründung, ist bestenfalls als eine Art der Notwehr zu sehen und eigentlich im Grundkonzept der Gebührenordnung nicht vorgesehen. Hier ist nämlich eine regelmäßige Überprüfung der Gebührensätze niedergelegt.

Wie haben sich eigentlich die Abgeordnetendiäten in den letzten 30 Jahren entwickelt? Ich meine gehört zu haben, dass es dort keinen Stillstand gegeben hat. Wie ist das zu verantworten, wo die Diäten auch vom Staat also dem Steuerzahler bezahlt werden müssen (wie die Beihilfe, die ja wohl der Hauptgrund für die jahrzehntelange Nichtanpassung der GOZ ist)? Soweit ich informiert bin ergibt sich die Diätenerhöhung, aufgrund einer Anpassungsklausel, inzwischen fast automatisch. Warum wird eine solche Anpassungsklausel den Zahnärzten vorenthalten?

Die Thematik der Einbindung der Beihilfe wäre durch verschiedenste Möglichkeiten der Umgestaltung der Versorgung der Beihilfeberechtigten sinnvoller bzw. gerechter und vom jeweils Betroffenen direkt beeinflussbar zu lösen. Eine Privatgebührenordnung sollte die aktuellen fachlichen Möglichkeiten und ihre betriebswirtschaftlichen Hintergründe abbilden und nicht rein auf den finanziellen Interessen desjenigen, der als dritter im Bunde zahlen muss, aufgebaut sein. Die Politik wälzt hier ungerechtfertigter Weise ihre finanziellen Probleme auf uns Zahnärzte ab.

Die Zahnärzte haben im Laufe der über 30 Jahre noch ein nicht zu vernachlässigendes Problem: Die Laborkosten sind (berechtigterweise) kontinuierlich gestiegen. Sie sind für uns aber nur ein durchlaufender, häufig vorzufinanzierender Posten, also eine zusätzliche Belastung.

Die aktuelle GOZ berücksichtigt in keiner Weise die diversen Kostensteigerungen durch: Einführung neuer Hygienesystematiken,
Medizingeräteverordnung,
Röntgenverordnung,
Qualitätssicherungssysteme,
BUS-Dienst,
Mehrwertsteuererhöhung (wirkt sich beim Faktoring auf die gestiegenen Laborkosten aus),
Brandschutzverordnung,
Antikorruptionsgesetz (verhindert das Partner-Faktoring mit dem die Dentallabors für ihren Rechnungsanteil direkt die Faktoringkosten bis dahin übernahmen. Im übrigen hat ihr (früherer?) Parteifreund und Ministerpräsident a.D. Peter Müller jetzt als Verfassungsrichter, im Rahmen des Festvortrages in Gütersloh, die Notwendigkeit eines solchen Spezialgesetzes für Ärzte und Zahnärzte in Abrede gestellt),
europäische Datenschutzgesetzgebung
und wahrscheinlich habe ich noch einige Punkte verdrängt.
Um das gleich klarzustellen, ich bin nicht pauschal gegen all diese sicherlich zum Teil sinnvollen bzw. vertretbaren Punkte, nur wenn wir Zahnärzte/innen all diesen Aufwand betreiben sollen, muss er auch bezahlt werden und kann nicht immer weiter von unserem nicht angepassten Honorar abgezogen werden.

Im Hygieneaufbereitungsbereich zum Beispiel müsste der enorm gestiegene maschinelle und personelle Aufwand mit einer Hygienepauschale zur Deckung der gestiegenen Kosten durch die gesetzlich induzierten Hygieneanforderungen berücksichtigt werden.

Ein besonders einfach nachzurechnendes Beispiel sind die Beratungspositionen. Nehmen wir die Position Ä3 „Eingehende, das normale Maß überschreitende Beratung (Dauer mindestens 10 Minuten)“ im 2,3fach Satz 20,10 €. Das bedeutet, selbst wenn diese Leistung immer nur exakt 10 Minuten dauern würde, ergäbe sich ein Stundensatz von 120,60 €. Das BMG hat aber schon im Jahre 2009 auf eine Anfrage im Bundestag 196,- € als notwendigen Stundensatz (unrealistisch niedrig) für eine zahnärztliche Praxis zugrunde gelegt. Wie wird hier eine Nichtanpassung gerechtfertigt?

Ich habe im Rahmen einer Fortbildung am letzten Wochenende aus dem Kollegenkreis sehr differenzierte Positionen zur weiteren Vorgehensweise bezüglich der mittlerweile erneut über 6 Jahre unveränderten GOZ gehört. Persönlich halte ich es für dringend geboten die Politik in der ersten Hälfte der neuen Regierungszeit zum Handeln zu motivieren. Mit Blick auf herannahende Wahlen wird sich danach nichts mehr bewegen lassen.

Von einem Teil der Kollegen habe ich die Überlegung gehört, dass wir schon mit der Integration einer automatischen Anpassungsklausel in die GOZ, so wie das bei den Diäten der Fall ist, zufrieden sein müssten. Das (rückwirkend ab 2012) allerdings halte ich definitiv für absolut notwendig, um die zahnmedizinische Versorgung wirtschaftlich vertretbar aufzustellen.

Führen Sie sich bitte vor Augen, dass wir auch in Zukunft der Bevölkerung unseres Landes eine qualitativ hochwertige und zeitgemäße Zahnheilkunde anbieten wollen. Bedenken Sie weiterhin, dass wir auch als Arbeitgeber unsere Mitarbeiter/innen fair entlohnen wollen. Beides ist durch die Nichtanpassung des Punktwertes der GOZ ernsthaft gefährdet.

In der Hoffnung auf eine konstruktive Diskussion verbleibe ich

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Guido Vorwerk

6 Gedanken zu „Offener Brief an den Landesminister für Gesundheit zur Nichtanpassung der GOZ seit 2012

  1. Vielen Dank! Glaubt irgendein Kollege noch ernsthaft daran, daß die Honorare erhöht werden? In den Köpfen der Politiker und der Bevölkerung sind Zahnärzte per se reich, daran ändern auch die obigen Berechnungen nichts…
    Dann sinkt auf Dauer eben die Qualität, wie in Großbritannien, wie neulich in der zm zu lesen war. Mehr ist dann auch auf Seiten der Zahnärzte irgendwann nicht mehr finanzierbar.
    Man hört, daß Großunternehmen in den zahnärztlichen Gesundheitsmarkt drängen, von der Politik offensichtlich gewollt, da diese auf z. B. Implantate über Großeinkauf vieles kostengünstiger werden lassen. Da immer mehr Frauen zahnärztlich tätig sind, vorwiegend angestellt und niemand mehr Verantwortung als Freiberufler übernehmen will wird die Zahl der freiberuflich tätigen Zahnärzte weiter sinken. Verständlich bei der zunehmend unattraktiven Honorierung und der nicht honorierten Leistungen wie Hygiene. Bald wird es in Großstädten vielleicht nur noch große Unternehmen geben mit vielen angestellten Zahnärzten. Ade Freiberuflichkeit.

    • Anonymus: Schwarzmalen ist nicht der Weg mit Herausforderungen der Freiberuflichkeit umzugehen.
      Guido: Danke für den Brief.
      In wie weit möchtest Du eine Verbreiterung Deines Briefes?
      Auch wenn die Pessimisten sich hier zu Wort melden werden: Du hast Partei ergriffen und etwas getan. Alles ist besser, als nichts zu tun! Thomas Weber hat mit seiner Aktion Rote Karte gegen die TI genau so meine Unterstützung. Und ich empfehle allen Kollegen, sich hinter diese Aktionen zu stellen. Das ist wenig Aufwand für den Erhalt unserer Freiberuflichkeit.

      • Hallo Stephan,
        Ich habe den Brief an unsere Kammer, KZV, Zahnärzteblatt WL, ZM, DZW, BZÄK, KZBV, Freier Zahnarzt, Oemus-Verlag und den Kollegen Dr. von Lennep von der ZA geschickt. Mit einem geringfügig anderen Anfang auch an den neuen Bundesgesundheitsminister Spahn. Wenn noch jemand weitere Ideen hat, bitte gern. Ist ja extra als offener Brief geschrieben.
        Ich wollte mir schlicht einmal den Frust von der Seele / Leber schreiben.
        Viele Grüße Guido

  2. Der Feigen waren mehr denn der Streitbaren,der Dummen mehr denn der Klugen.Mehrheit setzte
    durch. Friedrich Schiller
    Ein solch hündischer Menschenschlag wie die Zahnärzteschaft hat die Freiheit (sich)nicht verdient.

  3. Ohne Familie, ohne Freunde, wäre ich schon längst weg aus Deutschland. Abgesehen von diesen nicht honorierten Hygieneleistungen muss ich mich tagtäglich auch mit Versicherungen, den zigtausend Beihilfestellen herumschlagen. Mir wird jedes mal schlecht, wenn ich daran denke, wie viel Geld dieser Verwaltungsapparat uns kostet.

    Warum stellen die Kassen nicht auf deren Rechnung uns eine Verwaltungskraft und eine Hygienekraft für uns in den Praxen ein?

    Wie kann man auf die Idee kommen, dass ein freiberuflicher Zahnarzt teurer sein wird, als ein Großunternehmen, was nur im Einkauf Geld sparen kann. Ansonsten haben die einen Wasserkopf und desinteressierte Mitarbeiter. Das kenne ich doch noch aus der Bundeswehr.

    Wer weiß, auf welche Person dann möglichst viel Geld akkumuliert werden soll…. es geht doch nur ums Geld.

    Ade Freiberuflichkeit, ade Arzt-Patienten-Verhältnis, ade Mittelstand.

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