Neue höchstrichterliche Entscheidung zum Thema Ärztebewertungen im Internet

von Haya Hadidi

Im Folgenden der Hinweis auf zwei BGH-Urteile zu dem betreffenden Thema:
BGH-Urteil vom 23.09.2014 (Az: VI ZR 358/13):
Als Arzt hat man generell keinen Anspruch auf Löschung seiner Daten aus einem Ärztebewertungsportal. Dies begründet sich mit dem überwiegenden Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche Leistungen. Dagegen stehe das Recht des Arztes auf informationelle Selbstbestimmung zurück.
Werden allerdings unwahre Tatsachen behauptet oder der Arzt beleidigt, so hat er einen Anspruch auf Löschung gegenüber dem Portalbetreiber.
Im entschiedenen Fall hatte ein Arzt einen Portalbetreiber auf Löschung der ihn betreffenden Daten geklagt. Aufgeführt waren in einem Profil sein akademischer Grad, sein Name, seine Fachrichtung und die Anschrift seiner Praxis. Internetnutzer können kostenlos auf diese Informationen zugreifen. Zur Abgabe einer Bewertung ist die vorherige Registrierung mit einer E-Mailadresse notwendig.
Der Arzt ist in allen Instanzen erfolglos geblieben. Der Portalbetreiber sei nach § 29 Abs. 1 BDSG zur Erhebung, Speicherung und Nutzung sowie nach § 29 Abs. 2 BDSG zur Übermittlung der Daten des Arztes an die Portalnutzer berechtigt.
Der BGH würdigt zwar, dass ein Arzt durch seine Aufnahme in ein Bewertungsportal belastet wird, da durch abgegebene negative Bewertungen die Arztwahl entsprechend beeinflusst werden und wirtschaftliche Nachteile die Folge sein könnten. Der BGH erwähnt auch das Missbrauchspotential eines solchen Portals. Letztlich sieht er jedoch das Portal als schützenwerte Informationsquelle für Patienten und die Öffentlichkeit an, insbesondere vor dem Hintergrund der freien Arztwahl, so dass dies das individuelle Schutzinteresse des Arztes überwog.
Die gespeicherten Profildaten berühren den Arzt außerdem nur in seiner sogenannten Sozialsphäre, also in einem Bereich, in dem der Mensch ohnehin schon mit anderen interagiert und daher weniger geschützt ist.
BGH-Urteil vom 01.07.2014 (Az VI ZR 345/13)
Als Arzt hat man keinen Anspruch auf Auskunft über Anmeldedaten gegen den Betreiber eines Internetportals.
Geklagt hatte ein Arzt gegen ein Arztinformationsportal, welches mehrfach unwahre Tatsachenbehauptungen (Patientenakten würden in Wäschekörben gelagert, Terminvereinbarungen würden unverhältnismäßig lange benötigen), die ein anonymer Nutzer hinterlegt hatte, veröffentlicht hatte. Zwar konnte der Arzt jeweils die Löschung dieser Bewertungen erlangen, allerdings wurde ihm die Auskunft der hinterlegten Nutzerdaten seitens des Portalbetreibers verweigert. Zu Recht, wie sich herausstellte: Denn der BGH stellte fest, dass einer Herausgabe der Daten § 12 Absatz 2 TMG entgegensteht. Es fehlt damit an einer datenschutzrechtlichen Ermächtigungsgrundlage des Portalbetreibers, der sich somit erfolgreich gegen die Herausgabe wehren konnte.

Fazit:
Es lohnt sich als Mediziner sicherlich, die eigenen Bewertungen in den diversen Bewertungsportalen engmaschig zu überwachen. Im Falle unwahrer Tatsachenbehauptungen und Beleidigungen sollte unverzüglich eine Löschung veranlasst werden. Diesen Anspruch macht man gegenüber dem jeweiligen Betreiber geltend. Auf Herausgabe der Nutzerdaten kann man den Portalbetreiber nicht verklagen, was das Vorgehen gegen die einzelne Falschbehauptung umso wichtiger macht.

5 Gedanken zu „Neue höchstrichterliche Entscheidung zum Thema Ärztebewertungen im Internet

  1. Guten Tag Frau Hadidi,

    vielen Dank für diese juristische uns Zahnärzte ja mehr und mehr betreffende Darstellung. Vielleicht können Sie mir ja die Frage beantworten, die mich in diesem Zusammenhang immer wieder bewegt?
    Warum darf eine Bewertung überhaupt anonym erfolgen oder noch klarer, ich habe keinerlei Problem damit, wenn mich jemand kritisch sieht. Aber ich würde doch gerne die Zusammenhänge einordnen können, um mich dann ggf. ändern bzw. verbessern zu können. Außerdem warum muss ein Zahn-Arzt sich anonym beurteilen lassen und der Beurteilende nicht mit seinem Namen dafür gerade stehen?

    Viele Grüße

    Guido Vorwerk

  2. Hallo Herr Vorwerk,

    freut mich, wenn Sie Nutzen aus den juristischen Informationen ziehen, die ich von Zeit zu Zeit hier einstreue. Intendiert sind die Beiträge so, dass ich damit auch ein klein wenig, hoffentlich hilfreiche, Information zurückgebe – profitiere ich doch tagtäglich von den informativen Beiträgen der Zahnärzte hier.

    Die Antwort auf Ihre Frage findet sich in § 13 Absatz 6 TMG, der da lautet: „Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist.“

    In der zweiten von mir im obigen Beitrag erwähnten Entscheidung ging es im Kern genau darum und der BGH hat die anonyme Nutzung des Internet damit gestärkt. Das TMG hat grundsätzlich der Gesetzgeber, also das Parlament, zu verantworten. Der BGH entscheidet auf dieser Grundlage und legt entsprechend aus. Wenn eine Änderung diesbezüglich angestrebt werden sollte (z.B. grundsätzliche keine Anonymität mehr im Netz), so müsste diese m.E. zunächst in der rechtlichen Grundlage, also im TMG, stattfinden. D.h., kurz gesagt – hier wäre der Gesetzgeber gefragt, wenn dies denn ein mehrheitsfähiger Änderungswunsch wäre – was ich nicht zu beurteilen vermag.

    Der Arzt und seine Leistung hingegen stehen sozusagen „im öffentlichen Interesse“ und er muss damit hinnehmen, dass er auch anonym beurteilt werden darf. Einziger (möglicherweise schwacher)Trost ist eben, dass falsche Behauptungen ex post entfernt werden können, der Arzt hierauf auch einen Anspruch hat. Daher ja auch mein Tipp, unbedingt genau auf abgegebene Bewertungen zu achten und ggf. dagegen vorzugehen.

    Herzliche Grüße

    Haya Hadidi

  3. Hallo Frau Hadidi,

    vielen Dank für Ihre weiteren Erläuterungen. Der nochmalige Hinweis auf abgegebenen Bewertungen zu achten und ggf. dagegen vorzugehen, ist klar nur wie soll man das bewerkstelligen? Zum einen wer kennt alle ggf. auch neu hinzukommenden Plattformen? und kann sie dann zeitlich wie regelmäßig kontrollieren? Wenn schon die Anonymität der Bewertenden besteht müssten doch zumindest die Portale den Bewerteten über neu eingehende Eintragungen informieren!?

    Viele Grüße

    Guido Vorwerk

    • Hallo Herr Vorwerk,

      ich denke in erster Linie relevant sind die bekannten, großen Portale mit den meisten Teilnehmern. Also, ganz praktisch gesprochen: Sich selbst regelmäßig „googeln“ ist bestimmt schon mal eine gute Grundlage, um sich einen Überblick zu verschaffen. Soweit ich weiß kann man als Arzt üblicherweise sein Profil in den Portalen vervollständigen / bearbeiten. In diesem Zusammenhang werden vielleicht auch Benachrichtigungsservices seitens der Portale angeboten? Möglicherweise nicht kostenfrei – aber ein schlechter Ruf im Internet kann ja auch schnell teuer werden. Ein kleines Beispiel dazu aus eigener Erfahrung: Aufgrund eines Notfalls musste ich auf den zahnärztlichen Notdienst zurückgreifen. Es standen mehrere Zahnärzte zur Auswahl. Eine der räumlich nächstgelegenen Praxen hatte zwei unterirdische Bewertungen (Schulnote 5) online. Ich habe mich daraufhin für eine andere entschieden. Sicher zählt vor allem auch, ob Patienten die Praxis im persönlichen Umfeld weiterempfehlen. Das Internet ist jedoch ebenfalls ein wichtiges Mittel der Außendarstellung- auch für Mediziner.

      Viele Grüße

      HH

  4. Hallo zusammen,

    eine differenzierte Besprechung zur Entscheidung vom 23.09.2014 findet sich von Meyer in Kommunikation und Recht (KR) 2014, S. 802 ff. mit weiteren Literaturhinweisen zum Themenkomplex.

    Beste Grüße

    HH

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