Kollegoide (1)

von Donald Becker

Gestern habe ich einen Kollegen, einen Freund und Studienkollegen meines Semesters wiedergetroffen nach längerer Zeit.

Es war ein schönes Treffen.

Nicht immer kommt es vor, dass man, wenn man sich nach langer Zeit wiedertrifft, nahtlos anknüpft an frühere schöne Zeiten.

Sie kennen das sicher auch.
Man trifft sich, zufällig oder aus gegebenen Anlass und weiss nach ein paar Minuten nicht mehr, was man erzählen soll.
Zu unterschiedlich ist man, hat sich vielleicht auch im Laufe der Zeit verändert. Das wird offensichtlich, wenn die gemeinsame Gesprächsbasis, die das Studium, die Schule vielleicht einstmals hergaben,  als Grundlage nicht mehr vorhanden sind.

Hier war das ganz anders, wie haben viel gelacht über Vergangenes und Aktuelles in der Zahnmedizin.

Aber – natürlich gab es auch unschöne Dinge zu berichten.

Der Kollege erzählte zum Beispiel folgende Geschichte, vor nicht allzu langer Zeit passiert.

Ein Studienkollege (sein Kojenpartner Prothetik) vereinbart einen Termin für eine Behandlung.
2 Keramikinlays alio loco angefertigt, waren gebrochen.
Sie wurden ausgetauscht.
Alles ist okay und der behandelte Kollege bittet den Behandler um die Rechnung.
Kein Freundschaftspreis soll es sein, im Gegenteil, der Behandler möge bitte seinen hohen Aufwand adäquat in Rechnung stellen. Ein Faktor wird genannt, exorbitant hoch, zumindest vollkommen weg von dem, was der Behandler  normalerweise zur Abrechnung auch nur in Erwägung zieht.

Abrechnungskataloge werden gewälzt, zusammen mit der Abrechnungshelferin in der Praxis, mit der KZV wird telefoniert, man will in diesem unsicheren Terrain nichts falsch machen.

Eigentlich lohnt der ganze Aufwand nicht wirklich, denn die Zeit, die am Telefon und vor dem Computer verplempert wird, wäre für den Behandler am Stuhl produktiver einzusetzen, aber egal, dem Kollegen zuliebe und interessehalber.

Die Rechnung wurde gestellt.
Danach – kam lange Zeit nichts mehr. 
Keine Überweisung, keine Rückmeldung des Kollegen. War etwas schiefgelaufen ? Der Behandler hatte ein schlechtes Gewissen. Vielleicht hatte es Probleme gegeben mit den Versorgungen, eventuell Schmerzen oder es war wieder etwas gebrochen ?

Die Sorge war unbegründet.
Nicht ganz 12 Monate später meldete sich der Kollege wieder. Ein weiteres Inlay war gebrochen und sollte ausgetauscht werden.

Bei der erneuten Behandlung sprach der Behandler die ausstehende Rechnung an. “Es täte ihm leid”, sagte der behandelte Kollege, “seine Frau mache die Abrechnung, er werde das sofort abklären und das Geld überweisen”.

Das ist jetzt ein weitere neun Monate her.

Weder die erste noch die zweite Rechnung sind bis heute bezahlt.

Und wer meint, der behandelte Kollege sei in finanzieller Not, dem sei an dieser Stelle versichert, dass besagter Zahnarzt, im Speckgürtel einer bundesdeutschen Großstadt niedergelassen,  für die lächerlichen Umsätze, die sein Behandler Tag für Tag tätigt, nicht einmal aufstehen würde.

Und es keimte beim Behandler der Verdacht, besagter Patient habe seine Rechnungen längst eingereicht und den Erstattungsbetrag für sich behalten.
Aber solche negativen Gedanken sind sicherlich unbegründet und spätestens am Monatsende ist das Geld endlich auf dem Konto.

Quod erat demonstrandum.