Taktikbesprechung

Wie hättet Ihr entschieden? Erhaltungsversuch oder Zahnentfernung?

Wenn Erhaltungsversuch, wie wäret Ihr vorgegangen? 1.2.3. usw.

Was wäre Plan A, wie sehe der Plan B (C, D, …) aus?

Die Ausgangssituation:

Im Zuge einer prothetischen Neuversorgung sind alle Zähne und die Implantate mit laborgefertigten Langzeitprovisorien versorgt worden.

Zahn 26 ist mit einer mit Zahn 25 vorblockten Krone versorgt und soll endodontisch behandelt werden. Das Langzeitprovisorium reicht von 23-26 und ist mit Temp Bond NE befestigt.

Der Zahn 26 zeigt im DVT folgende Befunde:

Nicht aufbereiteter MB2, MB1 unvollständig aufbereitet, apikale Aufhellung an der sehr stark nach distal gekrümmten Wurzel.

Unvollständige Wurzelfüllung in DB, durchgehender Parodontalspalt DB, massiver Wurzelstift in DB

Unvollständige Wurzelfüllung in P, apikale Aufhellung apikal von P, Kanalkrümmung apikal nach distal

Perforation im Bereich der Furkaktion durch ausserhalb der Zahnachse gesetzten Wurzelstift

Sekundärkaries der palatinalen Hartsubstanz, sehr konische Pfeilerpräparation an Zahn 26.

Wie geht Ihr es an?

PV belassen und definitiv zementieren oder Ekr und präendodontischer Aufbau?

Zuerst den perforierenden Stift entfernen oder den Stift in DB? Oder DB belassen?

Zuerst die Perforation verschliessen oder die Kanäle aufbereiten?

Womit wird der Perforationsverschluss durchgeführt? Wird das Verschlussmaterial vor dem Weiterarbeiten so belassen oder abgedeckt?

Zuerst MB1 oder MB2 instrumentieren? Welche Instrumente kommen in welcher Reihenfolge zum Einsatz?

8 Gedanken zu „Taktikbesprechung

  1. Hallo Jörg!
    Abgesehen von den zahlreichen weiteren Schwierigkeiten geben mir insbesondere die Karies an der palatinalen Wurzel zusammen mit der Stiftperforation im Rahmen der ZE-Versorgung sehr zu denken. Für 99% der Patienten sicher zu viel Herodontics. Falls der Überweiser auch die aktuellen Stifte gesetzt hat, wäre die Weiterversorgung nach Endo ohnehin kritisch.
    Inklusive Erstberatung, DVT, Auswertung, Behandlungsplanung, Weiterberatung, komplexer HKP und Unwirtschaftlichkeitsdiskussion mit der Versicherung im Vorfeld UND im Nachgang (nebst Beihilfe ggf. bei 50-jähriger Patientin mit Doppelnamen) erforderlichen Stiftentfernungen, palatinal Kronenverlängerung nebst Knochenverlust, endständiger präendodontischer „Sozialkrone“, Perforationsdeckung, komplexer Endo bei komplexen Knochendefekten, postendodontischem Stiftaufbau: mindestens 5 Stunden Arbeit wenn es gut läuft – 2.000 € bis 3.500 €. Könnten aber locker auch 8 Studen werden – in wie vielen Sitzungen, bei welchen chronischen Erkrankungen und bei welcher Prognose?
    Als Kunstwerk ggf. machbar, als vorhersagbare Endo-Behandlungsalternative versus Fortsetzung der bereits vorhandener Implantatversorgungen (aber bitte vom Profi) eher nicht — oder ist es Deine Mutter, braucht man diese geballte Herausforderungen, nimmt man sich/ hat man so viel Zeit, wird es einem gedankt – auch wenn der Zahn ggf. nach zwei Jahren frakturiert?
    LG András

  2. Vorab eine kleine Gegenfrage: Ist denn Ferrulé überhaupt noch möglich? ¯\_(ツ)_/¯
    Ansonsten sehe ich hier soviele Fragezeichen, die man evtl. nur durch IKD klären kann. Fotos wären cool ;)
    Grüße
    CM

  3. Hallo Jörg,
    zu Deinen Fragestellungen, die bislang zu kurz gekommen sind – aber kurz kann ich sie nicht beantworten und würde mich Freuen, Dein Herangehen im Vergleich zu sehen:
    .
    – 26: Erhaltungsversuch oder Zahnentfernung? – Mir wäre Zahnentfernung deutlich lieber, aber im Fall von Herodontics wäre mir noch wichtig vorab zu wissen:
    Alter des Patienten, Allgemeinzustand, Dental-IQ, Diabetes, ggf. weitere chronische Erkrankungen, Compliance, Postbeamten-KK?, Risikobereitschaft, Belastbarkeit, Mundöffnung, Ausdauer, bereitschaft, viel Zeit bei Dir zu verbringen — Finger weg von Neupatienten, die sagen „Geld spielt keine Rolle“ – sie sagen die Wahrheit! – denn Sie haben nicht vor zu bezahlen!
    Bei dieser Ausgangssituation darf keines der obigen Punkte negativ hervorstechen !!!

    – Wenn Erhaltungsversuch, wie wäret Ihr vorgegangen? 1.2.3. usw.
    Was wäre Plan A, wie sehe der Plan B (C, D, …) aus?

    1.) HKP unterschreiben und einreichen lassen
    2.) PV mit Überabdruck abformen, Provi eKr und Pat. mitgeben.
    – Sekundärkaries der palatinalen Hartsubstanz, sehr konische Pfeilerpräparation an Zahn 26.
    Wie geht Ihr es an?
    3.) Stifte entfernen und erste IKD ohne Koda (wenn nicht jetzt Entscheidung zur Ex fällt), dann:
    4.) Perforation mit Ca(OH)2 und Teflonband provisorisch abgecken.
    5.) Anästhesie, Karies excavieren,
    6.) wenn möglich Koda auf Zahnfleisch palatinal setzen – aber nicht rumprobieren!
    7.) ggf. Faden legen, intraligamentäre Anästhesie, Trepanationsbereich (mit Teflon oder Clip) abdecken. Gingivaüberhang ggf. mit Gingivaretraktor abhalten, falls erforderlich intraligamentär nachanästhesieren (Adrenalin 1:100.000)
    8.) subgingivalen Bereich ohne adhäsive Kompromisse von nahezu der Präpgrenze aufbauend (mölichst Markierung mit Venus-Flow opaque; genaue Form/ Farbe egal), supragingival schnell einen Randwall schichten, lichthärten, später im Zahn mit Flow weiter aufbauen.
    9.) Aufbau parallelwandig aber mit viel Überschuss in grober Form einer unpräparierten Zahnkrone 26 formen, damit Koda-Klammer nicht die Füllung nach innen einbricht, gingivalnah ggf. Unterschnitt belassen/ formen, um später klein gelochten Koda-Tuch darunter einzuhängen und mit füssigem Koda unter der Klammer zu fixieren.
    .
    – PV belassen und definitiv zementieren oder Ekr und präendodontischer Aufbau?
    10.) nach Aufbau Krone 26 in Zahnform (siehe oben): neuen Provi für 23-25 zu 26 passend
    .
    – Zuerst den perforierenden Stift entfernen oder den Stift in DB? Oder DB belassen?
    (3.) Perforierenden Stift schon zuvor entfernt und
    (4.) mit Ca(OH)2 und Teflonband provisorisch abgedeckt.
    (3.) Wenn distobuccaler Stift sich leicht lockern lässt, dann entfernen, zur Not ggf. belassen.
    .
    – Zuerst die Perforation verschliessen oder die Kanäle aufbereiten?
    11.) Wenn möglich Perforation mit wenig MTA verschließen und selbsätzendem Vertise-Flow abdecken – aber so tief, dass die Endo-Feilen es nicht raussprengen. – Alternativ provisorischer Verschluss mit Ca(OH)2 und Teflonband.
    .
    – Womit wird der Perforationsverschluss durchgeführt? Wird das Verschlussmaterial vor dem Weiterarbeiten so belassen oder abgedeckt?
    –> siehe unter 11
    .
    Zuerst MB1 oder MB2 instrumentieren? Welche Instrumente kommen in welcher Reihenfolge zum Einsatz?
    zu 12.): Verlaufen mb1 und mb2 separat – ich vermisse zwei DVT-Screenshot in der Frontebene beider Kanäle nebeneinander – einmal im koronalen Bereich und einmal hinter der Krümmung.
    12.) Möglichst mit dem nicht instrumentierten Kanal (wohl mb2) beginnen, um sich ohne Stufen an der Zahnlänge und der Krümmung orientieren zu können:
    – nach koronaler Erweiterung
    – von Anfang an sehr viel Spülen, Eddy, Iso 06/ 08 rekapitulieren
    – Step down mit Handinstrument ISO 08 oder 06 – ggf. im Wechsel
    – und Pathfeile oder ähnlichem (aber kürzer als die Handfeilen, zunächst nicht näher als 1-2 mm an die starke Krümmung ran).
    – Handaufbereitung um die Krümmung Iso 10, bis zum Apex Iso 06 oder 08, (10 vermutlich nicht möglich)
    – dann erst mit nagelneuer Pathfeile oder vergleichbarem ohne Druck aber zügig 1-2 mm um die Kurvatur für Glidepath.
    – Dann mb1 sehr vorsichtig ähnlich angehen, um keine Stufen zu verstärken.
    .
    Später WF mb1, mb2 in Single-Cone-Technik mit etwas mehr Sealer, da thermoplastisch nicht realistisch.

    Das wäre Plan A – so in aller Kürze :-)
    (B, C, D wären Abweichungen, wo intraoperativ A nicht sinnvoll ist)
    LG, András

    • Hallo András,

      vielen Dank für Deine ausführlichen Gedanken.

      Alter 56. Ärztlicher Kollege. Sehr am Zahnerhalt interessiert. Auch nach Beratung und Erläuterung der sehr guten Alternative Implantat Wunsch nach Zahnerhalt. Keine Beihilfe. PKV-Patient. Keine die Heilung kompromittierende Vorerkrankungen. Mundöffnung normal. Sehr geduldiger Patient.

      Unterschriebener KV und unterschriebene Aufklärungsbögen (Anästhesie & Revisionsbehandlung) sind die Eintrittskarten zur Behandlung am Behandlungstag. ;)

      Ich habe in der Tat die Krone abgenommen und den Zahn ohne Kofferdam adhäsiv aufgebaut.

      Dann Kofferdam gelegt und zunächst die beiden Schraubenköpfe freigelegt. Da der Stift in DB die Entfernung des perforierenden Stiftes deutlich erschweren würde, habe ich zunächst DB „geräumt“. Dann den Stift aus der Perforation gelöst und nach ausgiebiger Spülung die Perforation mit MTA verschlossen. Ein kollagenes Widerlager wurde vorher eingebracht. Die Abdeckung des MTA erfolgte mit Ultrablend, einem lichthärtendem CaOH2-Präparat. Darüber dann Tetric EvoFlow mit Optibond FL, um es n´mechanisch sicher zu machen. Der Palatinale Kanal war nur dargestellt worden. Die Guttapercha belassen worden.

      Da sich inzwischen der präendodontische Aufbau gelöst hatte, habe ich dann den Aufbau von Grund auf erneuert und intern verstrebt, um die Kräfte der Klammer besser abfangen zu können. Dann Präparation für eine Krone. Nach Erstellung eines PV habe ich dieses mittels RelyXUniCem befestigt und anschliessend nach erneutem Anlegen des Kofferdams die Behandlung fortgesetzt.

      Nach Darstellung aller Kanaleingänge habe ich zunächst die initiale rotierende Aufbereitung des MB2 begonnen. Koronales Drittel bis kurz vor die Krümmung ProFile 15/04, 20/04 15/06. Dann Pathfiles 13,16,19. HyFlex 15/03 bis Patency. Nach Entfernung der Guttapercha aus MB1 selbes Verfahren dort.

      Das einzige, was ich belassen habe ist die Guttapercha in DB, da ich aufgrund des erneuten Aufbaus sonst zeitliche Probleme bekommen hätte. Normalerweise entferne ich immer alle Fremdmaterialien und der ersten Sitzung. Da DB jedoch keine apikale Pathologie aufwies, habe ich mir das Entfernen der GP für den zweiten Termin aufgehoben.

      Über das Endergebnis werde ich hier an dieser Stelle berichten.

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