Achtung, wichtige Botschaft!
In der Kommunikation mit den Patienten die eigene Leistung nie zu hoch ansetzen.
Tiefstapeln ist angesagt.
Wobei, tiefstapeln trifft es nicht so ganz.
“Den Erfolg kleinreden” trifft es vermutlich besser.
Auf die Frage zum Beispiel: Wie lange kann denn ein Zahn nach Wurzelkanalbehandlung halten. Was antwortete ich (dummerweise)? Wenn´s gut läuft, ihr ganzes Leben.
Das dies grundlegend falsch ist, so zu antworten, dieses Licht ist mir vor kurzem erst SO RICHTIG aufgegangen. Und die Geschichte diesbezüglich möchte ich hier wiedergeben, so daß Alle von meinem Fehler lernen können.
Eine (63 jährige) Patientin aus den Anfangstagen meiner Selbstständigkeit sucht unsere Praxis auf und bittet um Rat. Grund ist ein lockeres Implantat in Regio 34 (Lockerungsgrad 2 – 3) Ob wir nicht mit dem Laser noch was machen könnten, der Implantologe habe so etwas erwähnt.
2018 sah das Implantat noch deutlich besser aus. Die Mundhygiene der Patientin ist im Übrigen sehr gut, auch systemische Problematiken und schlechte Habits scheiden als Erklärung für die Lockerung aus. Insgesamt also unerfreulich und unbefriedigend, den Erhaltungsversuch mittels Aufklappung und Lasereinsatz halte ich angesichts der hohen Mobilität nicht für zielführend, noch weniger allerdings die Wiederholung einer bereits einmal erfolgten Augmentation mit Knochenersatzmaterial, welche der Chirurg vor 2 oder 3 Jahren durchführte.
Ich überbringe also die schlechte Nachricht. “Ich denke ,dass das Implantat nicht erhalten werden kann und schnellstmöglich entfernt werden sollte, um weiteren Schaden vom Knochen abzuwenden.”
Interessant die Reaktion der Patientin. “Naja”, sagt sie, eher sogar positiv gestimmt “Das Implantat hat ja SEHR LANGE gehalten! Mein Björn”, sie spricht von ihrem Sohn, “als das Implantat gesetzt wurde, das war kurz nach der Schwangerschaft und heute ist er 21 Jahre alt. Damals sagte der Implantologe, wenn ´s gut läuft, dann kann so ein Implantat 10 bis 15 Jahre halten und da sind wir ja sogar deutlich drüber!”
Ich schaue in die Karteikarte.
1999 war das.
Und mir fällt ein, daß ich bei der Patientin im August 1993 eine Endo gemacht habe. Im Januar hatte ich die Praxis übernommen, mein Praxisvorgänger kannte sie schon aus Kindertagen. Zahn 45 war devital. Die WF war insuffizient. Ich revidierte. Sozusagen meine ersten endodontischen Schritte in eigener Praxis. Nix mit OPM, NiTi, DVT, Laser. Handinstrumentation, Root ZX,Stahlinstrumente, EMS – Ultraschallspülung. 2 Sitzungen. Alles gut soweit.
Überkronen lassen wollte die Patientin den Zahn aber nicht. Was mich insgeheim ärgerte. Sie hat sich vehement gesträubt dagegen. Auch eine Endo an Zahn 46 lehnte die Patientin ab. Weil – Wurzelkanalbehandlungen ja doch nicht funktionieren. Seitdem läuft sie mit dem Zahn 45 im Mund herum. Die Compositefüllung post Endo wurde 1998 erneuert, weil die linguale Wand des Zahnes frakturiert war. Seitdem ist der Zahn unverändert, eine zuletzt durchgeführte Röntgenkontrolle von 2018 zeigt einwandfreie Verhältnisse.
Was habe ich nun gelernt?
Bei einer Antwort, ein wurzelkanalbehandelter Zahn kann ein Leben lang halten, baut man eine sehr hohe Erwartungshaltung auf. Und kann eigentlich nur scheitern. Beim Verlust des Zahnes (egal wieviel später dieses Ereignis eintritt und ganz gleich, ob der einstigen endodontischen Behandlung geschuldet oder nicht) stellt sich beim Patienten Frustration ein. “Mein Zahnarzt hat doch gesagt, ein Leben lang.” Im Unterbewusstsein nagt eine Stimme: “Der Zahnarzt kann nix und Endodontie klappt nicht. “
Machen wir es also wie die Implantologen.
Niedrige Grenzen, die sich leicht übererfüllen lassen, setzen positive Gefühle bei den Patienten frei “Wow, hat lange gehalten, der Implantologe hat das toll gemacht”) und erhöhen die Akzeptanz der Therapiemaßnahmen!