RIP Walter Becker

von Hans-Willi Herrmann

Falls Sie sich als Leser unseres Blogs WURZELSPITZE gefragt haben, was es mit dem von mir gewählten Pseudonym „Donald Becker“ auf sich hat -hier -aus gegebenem traurigen Anlass die Auflösung…

Ich war 16,17 Jahre alt und meine Freistunden in der Oberstufe des Gymnasiums, sowohl die echten, als auch die selbstgewählten, verbrachte ich oft in der von einem Hippie-Pärchen geführten ortsansässigen Teestube. Nicht so sehr des Tee wegen und schon gar nicht wegen irgendwelcher anderer Sachen, ich rauchte nicht und trank keinen Alkohol, sondern, weil es dort Schallplatten zu kaufen gab.

Ich hörte zu dieser Zeit schon vorrangig Jazz, wenn auch mehr das leichte Zeug. Dave Grusin, Stanley Clark, George Benson, Billy Cobham und vor allem Chuck Mangione waren meine Helden, meine Pink-Floyd-Phase hatte ich zu diesem Zeitpunkt, genauer gesagt seit dem unsäglichen Album „Animals“ komplett hinter mir gelassen.

Ich weiss noch genau, als Evelyn, die Chefin des Ladens, auf mich zukam, mit dieser Schallplatte in der Hand und sagte: Die hier ist auch ganz gut, die hör´ ich im Moment gerne.

Die LP, grünblaues Cover, naive Malerei, eher hässlich, hiess „Gaucho“.
Es wurde die erste Steely Dan-LP, die ich mir kaufte. Natürlich besitze ich sie heute noch, in mehr als 10 facher Ausführung, denn eine Steely Dan – LP lässt man nicht auf einem Flohmarkt liegen, egal wie oft man sie schon im Regal stehen hat.

Walter Becker, die eine Hälfte des kongenialen Duos „Steely Dan“, ist gestern im Alter von 67 Jahren gestorben. Auch wenn Becker immer im Schatten seines musikalisch übermächtigen Partners Donald Fagen stand, so war das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit doch über Jahrzehnte hinweg so grandios aus dem mediokren Grundrauschen des E-Musik-Mainstreams herausragend, dass sein Tod als ein großer Verlust für die Rockmusik gelten muss.

Der Begriff „Rockmusik“ ist natürlich insofern suboptimal gewählt, als das die Musik Steely Dan´s schon von Beginn an – man denke nur an ihre erste Single vom 72er Debütalbum „Can´t buy a thrill“, das durch Eumir Deodato kurze Zeit später verjazzte und damit auch formell geadelte „Do it again“ – sich allen Versuchen, ihr eine Schablone oder auch nur einen passenden Namen aufsetzen zu wollen, von vorneherein entzogen hat.

Mit sprichwörtlichem Wiener Schmäh gesprochen könnte man sagen, die Musik von Steely Dan war eine Melange aus Jazz, Pop und Rock, aber in Wirklichkeit war es viel mehr als das. Es war die musikalische Inkarnation des idealen „californian way of life“, nicht im zuckerbäckerhaften Truman-Show Heile Welt-Szenarios der „Beach Boys“ oder den hippiesken Traumphantasien der „The Mamas and the Papas“, sondern in einer intellektuellen, das Hipstertum des Postmilleniums viele Jahrzehnte vorwegnehmenden Coolness, die in ihrer brillanten Perfektion von Komposition, Arrangement und Ausführung, welche nur wahre Meisterschaft im fernöstlichen Sinne eines Vollkommen in sich Ruhen und über den Dingen Schweben überhaupt generieren kann, bis heute seinesgleichen sucht.

Ich muss gestehen, das mich Beckers Tod emotional nicht so berührt, nicht so tief trifft, wie es bei einem Freddy Mercury, Falco, Michael Jackson oder Prince der Fall war. Doch mit seinem Weggang geht eine Ära zu Ende und es bleibt nur der Blick zurück auf eine Zeit, die musikalisch so viel reicher war als die der Gegenwart. Steely Dan und damit auch Walter Becker wird immer ein wichtiger Teil meines Lebens bleiben.

RIP Walter Becker.

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