Endodontie ist der Beweis für die Toleranzfähigkeit des menschlichen Organismus. Aber wie lange noch ?

von Hans – Willi Herrmann

In der Endodontie funktioniert viel.
Eigentlich sogar extrem viel.

Warum dem so ist ? Weil Endodontie  ein Beweis ist für die Toleranzfähigkeit des menschlichen Organismus.

Und genau aus diesem Grund ist die Abwesenheit von Schmerz oder das Fehlen anderer augenfälliger klinischer Symptome aber auch kein Beweis für eine erfolgreiche Therapie, für zielführende Behandlungsansätze.

Leider wurde- in der Vergangenheit und wird – auch heute noch – zu oft genau so argumentierend verfahren.

„Tut nicht mehr weh, freuen wir uns, Stempel drauf, geheilt !“

In der Vergangenheit war eine solche Scheuklappen- Anschauung auch gut vertretbar. Mangels wirklicher Alternativen.
Aber genau das hat sich in den letzten 30 Jahren grundlegend geändert.

Denn der natürliche Feind der Endodontie heutzutage ist nicht länger mehr Zange und Brücke, es ist das Implantat.

Und mehr und mehr in den vergangenen 2 Jahrzehnten, in gleichem Maße in dem die Implantologie Einzug in unsere Praxen gehalten hat,  rächt sich nun diese arrogante Einstellung des „Ich habe ja mein Bestes getan und der Patient hat ja auch keine Schmerzen mehr, quod erat demonstrandum !“

Schmerzfreiheit heißt nicht Heilung.
Nimmt man dies als Kriterium, so birgt dies die  Gefahr, dass mit dem Nichtgelingen einer medioker durchgeführten Behandlung angesichts nun vorhandener „sicherer“ Alternativen eine Therapieform per se ins Abseits gestellt wird:  „Endo ? – Vergiss es- Funktioniert ja doch nicht !“

Die Endodontie – zu Recht oder Unrecht sei zunächst dahingestellt – ist im Begriff, eine Therapieform der Vergangenheit zu werden.

Dies könnte man als evolutionäre Entwicklung werten, als survival of the fittest im Sinne eines „Einfacher, sicherer, zuverlässiger“ der Wurzelkanalbehandlungs – Alternativen.

Und wenn dem so wäre, dann hätte es die Endodontie auch verdient, als – nennen wir es „intrakanaläre Goldhämmerfüllung des neuen Milleniums“- als ein als nicht mehrzeitgemäßes Therapeutikum vereinzelter, nur noch historisch bedeutsamer Wurzelkanal – Dentisten, als Fußnote der Zahnerhaltung, ein Randdasein im Kuriositätenkabinett der Zahnmedizin zu fristen.

Das Problem ist, dass wie allzuoft auch hier Äpfel mit Birnen verglichen werden.

Es gibt sie nicht „DIE Endodontie“, das universelle Abziehbild einer  Wurzelkanalbehandlung, als Blaupause des Wurzelkanal – Prototyps per se.

  • Haben wir es mit einer Erstbehandlung zu tun oder einer Revision ?
  • Ist es ein vitaler oder devitaler, möglicherweise hochgradig infizierter Zahn ?
  • Ein Traumafall ?
  • Wie alt ist der Patient ?
  • Wie ist seine medizinische Allgemeinsituation, wie der generelle Zustand seiner Zähne, der Nachbarzähne, der Antagonisten, wie die Situation des den Zahn umgebenden Knochens ?
  • Welche der unzähligen endodontischen Therapieoptionen sollte im individuellen Einzelfall der Vorzug gegeben werden ?
  • Und welchen Einfluss auf den Behandlungserfolg hat der Behandler ?
  • Wie steht es um die Fähigkeiten des Zahnarztes auf diesem schwierigen Teilgebiet, wie ist seine Ausstattung, was steht ihm an Gerätschaften und Hilfsmittel zur Verfügung, und last but not least wie schätzt er die klinische Situation ein und was ist er bereit, im konkreten Fall an Massnahmen einzusetzen ?

Fakt ist: Die endodontische Behandlung ist die schwierigste und komplizierteste Teilbehandlung im Rahmen der Zahnmedizin.

Insofern kann man es grundsätzlich keinem Behandler verdenken, wenn er sich, auf Grund negativer Erfahrungen auf diesem Gebiet und andererseits positiver Erfahrungen im Hinblick auf die Therapieoptionen „Zahnersatz“und „Implantologie“, gegen eine Wurzelkanalbehandlung entscheidet.

Zumal von Seiten der Wissenschaft keine Evidenz aufgezeigt wurde, welche der vielen, so unterschiedlichen endodontischen Therapiekonzepte denn nun zu favorisieren seien.

Das allerdings wird sich in den nächsten Jahren drastisch ändern.

Mit dem DVT steht uns in der Endodontie ein Medium zur Verfügung, dass in viel viel größerem Maße als bisher den Erfolg einer Wurzelkanalbehandlung beweisen oder in Frage stellen kann.

Die Folge: In den nächsten Jahren wird uns eine apikale Aufhellung nach der anderen um die Ohren gehauen werden.

Wenn wir nicht aufpassen, sind wir auf dem Weg in einen neuen Exodontismus.

Warum dem so sein wird ?

Weil es der Wirklichkeit entspricht.

Machen wir uns doch nichts vor – die Wurzelkanalaufbereitung ist seit Einführung der rotierenden Nickel – Titan – Instrumente vor fast 20 Jahren  in einem Stadium, das als vorhersagbar handhabbar gelten kann. Und der Erfolg einer  Wurzelkanalfüllung  muss nicht an der Anzahl gefüllter  Seitenkanäle oder der Temperatur des Hitzepluggers und der Phasenkonsistenz der verwendeten Guttapercha festgemacht werden.

Soll heißen – Endodontie kann schwierig und kompliziert sein, dies ist aber keine Grundvoraussetzung in jedem Falle.

Sie muss daher auch nicht von vorneherein zum Scheitern verurteilt sein.
Wie es von verschiedenen Seiten aus ganz unterschiedlichem Antrieben heraus postuliert wird.

Es bedarf zu erfolgreichen Handhabung von Wurzelkanälen auch nicht als conditio sine qua non einer mehrjährigen postgradualen Spezialistenausbildung.

Endodontie bedeutet, auf den Kern heruntergebrochen,  die Handhabung einer bakteriellen Infektion in einem extrem schwerzugänglichen Bereich.

Und deshalb ist es  eben nicht damit getan, einzig Wurzelkanäle aufzubereiten und abzufüllen.

Das ist beileibe keine neue Erkennntis. Die endodontische Trias (Aufbereiten,Desinfizieren, Füllen)  ist uns allen seit über 100 Jahren bekannt, aber die Desinfektion wird nachwievor stiefmütterlich behandelt.

Teilweise wird ihre Notwendigkeit, negiert, teilweise wird, guten Willen zeigend, sich in skurrilen Alibi – Handlungen verkünstelt, deren nicht gesicherter Nutzen auch nicht von markigen Marketing-Claims ala „Tsunami-Endodontics“ kompensiert werden kann.

Ist ein Wurzelkanal eines devitalen Zahnes, wenn er  trocken ist, bakterienfrei ?
Genügt die Spülung mit NaOCl oder welcher anderen desinfizierenden Lösung auch immer –  aus einer dünnen Spülkanüle heraus, maximal 1 -2 mm apikal der Kanülenöffnung hinausreichend,  um eine adäquate Desinfektion zu erreichen ?

Keiner von uns kann mit Sicherheit die Antworten auf diese Fragen geben.

Demzufolge kann man im Umkehrschluss aber auch povokant die Frage stellen: Erzielen wir eine Heilung durch oder unabhängig von oder trotz unserer Massnahmen ?

Konkret, kritisch gefragt:

1. Inwieweit ist das Ergebnis der Schmerzfreiheit und einer im Zahnfilm oder OPG sichtbaren apikalen Ausheilung das Resultat eines Fließgleichgewichts, dass die Selbstheilungskräfte des Körpers – unterstützt durch endodontische Massnahmen des Zahnarztes – gegenwärtig zu Gunsten des Patienten verschoben haben ?

Wenn dem so wäre, und es gibt nichts, was angesichts der Mikroanatomie des Wurzelkanals und der Submikroanatomie des Wurzeldentins grundsätzlich dagegen argumentierend angeführt werden könnte, dann ist die von uns so freudig begrüßte Heilung bakteriell infizierter Zähne nur eine Polaroid- Foto eines längerfristig in seinem Ausgang unbestimmten Prozesses, der eine Restitutio ad integrum nur suggeriert, aber vermutlich zu keiner Zeit erreicht hat.

2. Inwieweit ist die apikale Aufhellung nur eine scheinbare, nur auf den Unzulänglichkeiten des 2 D- Röntgens begründet ?

In solchen Fällen besteht die Möglichkeit, dass wir es nicht mal mit einer temporären, vielmehr mit einer vorgespiegelten Heilung zu tun haben.

Wo die Evidenz fehlt, muss der gesunde Menschenverstand her.
Und der sagt, seit dem Jahr der endodontischen Zeitenwende 1917, seit den Präparaten Walter Hess, dass es ungeachtet der großen Erfolge in der Endodontie noch viel zu tun gibt.

Und, angesichts der frustralen Erkenntnis, dass man offensichtlich in vielen Fällen nicht einmal bereit ist, dass essentiell Notwendige zu tun (sonst gäbe es nicht so viele schlechte Wurzelkanalbehandlungen)  auch getan werden muss. Grundsätzlich.

Damit die Endodontie kein Auslaufmodell wird.

Das bedeutet im ersten Schritt: Dokumentation des Status Quo, Analyse der Ist- Situation, Überprüfung unterschiedlicher Therapievarianten, vorbehaltlos.

Und hier haben wir mit dem DVT ein neues Hilfsmittel, dass es uns erlauben wird, den Erfolg unserer Behandlungen viel viel präziser, vielleicht zum ersten Mal überhaupt nachvollziehbar belegen zu können.

Darauf freue ich mich.

Das DVT ist nicht nur ein möglicher Nagel zum Sarg der Endodontie, sondern die Chance, diese Behandlungsform auf ein neues Level zu bringen. Ich bin gespannt, inwieweit sich die Endodontie dadurch in den nächsten 2 Dekaden verändern wird.

Eines muss aber klar sein. Mit dem DVT werden die Karten neu gemischt.  Und deshalb müssen auch liebgewonnene und bequeme Gewohnheiten des „Das haben wir doch immer so gemacht“  hinterfragt werden. NaOCl, CaOH2 ? Ab auf den Prüfstand. Und vermutlich fast alles andere auch.
Das ist mühsam.
Aber tun wir es nicht, werden wir verlieren.
Und die Patienten Zähne.

13 Gedanken zu „Endodontie ist der Beweis für die Toleranzfähigkeit des menschlichen Organismus. Aber wie lange noch ?

  1. Damit es soweit kommt, müssten erst einmal die Kriterien für die Bewertung eindeutig geklärt und für das neue Befundungsniveau, das sicher erreicht werden wird, angepasst sein. Lesenswert dazu der „Letter to the Editor“ im aktuellen IEJ.
    Ein weiterer Vorteil: man kann auch bei Implantaten mittels DVT Probleme nachweisen, da glaube ich nicht, dass sich die Teildisziplinen sehr weh tun werden ;-) schliesslich profitiert keiner davon, wenn Patienten grundlos verrückt gemacht werden.
    Viel interessanter wäre die Perspektive, sein eigenes Handeln und Tun kritisch zu reflektieren, eine Fähigkeit, die nicht immer stark ausgeprägt ist. Betrachtet man weiter die momentane Ausrichtung der internationalen Literatur, wage ich zu bezweifeln, dass sich viel tun wird. Vielleicht werde ich es noch am Ende meiner Laufbahn erleben, so lange jedoch der 35. „push-out“-Test der WF publiziert wird (bei dem mir jeglicher klinischer Bezug fehlt, aber das hat ja nichts zu heissen), ist meine Hoffnung nicht gross.

    Ich gehe jetzt mal das Ca(OH)2 mit NaOCl mittels US-aktivierter Spülung entfernen….. habe ich ja bisher immer so gemacht ;-)

    Herzliche Grüsse
    Oscar

  2. Lieber Kollege,
    bisher hatte ich nicht den Eindruck, dass gerade Sie sich in den unsäglichen Chor derer einreihen, die von Endo versus Implantologie sprechen und einen Konflikt stilisieren, der so keiner sein sollte – vielmehr keiner sein darf.
    Zumindest aus Sicht der Zahnerhaltung sollte differenzierter und vor allem wertfrei argumentiert werden. Die Formulierung vom Implantat als „Feind der Endodontie“ halte ich für deplaziert. In Zeiten der allgemeinen Verunsicherung insbesondere auch auf Seiten der Patienten sehe ich eine wesentliche Aufgabe in einer möglichst wertungsfreien Aufklärung und Beratung. Dabei sind solche Formulierungen sicherlich nicht hilfreich.
    Warum sind wir Spielball der Politik? Doch nicht zuletzt aufgrund derartiger unsäglicher Differenzierungsversuche. Wenn wir nicht in der Lage sind Zahnheilunde als ganzes zu verstehen und kommunizieren und zu vertreten sondern stattdessen den jeweiligen Teilbereich als Gral darstellen, werden wir weiterhin in die Pfanne gehauen!!
    Darüberhinaus bin ich mit Ihnen vollkommen einer Meinung hinsichtlich der allgemeinen Unterbewertung der Desinfektion. Ich kann nur nicht nachvollziehen, inwieweit in diesem Fall die digitale Volumentomographie einen Fortschritt darstellt. Nach meinem Wissen ist ein Infekt nicht bildlich darstellbar. Selbst eine differenzierte Darstellung der apikalen Osteolyse in Sinne einer Diagnose Granulation oder Inflammation ist meineswissens nach nicht möglich. Und wenn eine Verlaufskontrolle erforderlich ist, wie beurteilen Sie die Strahlenbelastung und darüberhinaus die Kostenentwicklung (insbesondere in Zeiten steigender Kosten im Gesundheitswesen )??

    Vielleicht überholt mich die technische Entwicklung und die von mir angesprochenen Kritikpunkte lösen sich in Wohlgefallen auf.
    Zur Zeit kann ich Ihnen aber nicht uneingeschränkt zustimmen wenn Sie die Segnungen der digitalen Volumentomographie anpreisen.

    Mit kollegialen Grüssen

    Dr. M. Pittrof

    • Hallo Kollege Pittrof,

      ich implantiere gerne in den Fällen, in denen kein Zahnerhalt möglich ist. Ist eine tolle Sache.
      Also lassen sie das Wort „Feind“ weg, wenn es Ihnen nicht gefällt. Ändert aber nichts an der traurigen Realität, dass Tag für Tag unzählige Zähne entfernt und durch Implantate ersetzt werden, die durch endodontische Massnahmen erhalten werden könnten.

      Was die Möglichkeiten der DVT in der Endodontie angeht – Seit Seltzer und Bender 1961(Roentgenographic and direct observation of experimental lesions in bone) wissen wir, dass teilweise sehr grosse Läsionen im Kieferknochen im konventionellen 2D Röntgen nicht auffällig werden. In der Diagnostik solcher Defekte ist das DVT ein bedeutender Fortschritt. Wir sehen jetzt Läsionen, die wir vorher nicht sehen konnten. Wenn – und nur dann – diese verbesserten diagnostischen Möglichkeiten dazu genutzt werden, unterschiedliche Therapiekonzepte in ihrem Erfolg einander gegenüberzustellen, dann können verbesserte Therapiekonzepte die Folge sein.

      Herzliche Grüße

      H.W. Herrmann

      • Hallo,

        das kann ich so auf jeden Fall unterstützen. Ich will mich auch nicht dem Fortschritt in den Weg oder desen Nutzen in Frage stellen.
        Ich frage mich lediglich, ob die Begeisterung für die neue Technik – in diesem Falle die DVT – auch ein gutes Stück von der Industrie forciert wird wohlwissentlich, dass der praktische Nutzen in vielen Fällen die Nachteile nicht überwiegt und das nichtnur in der Endodontie sondern auch in der Chirurgie, wenn man ehrliche Stimmen dazu zu hören bekommt. Viele anerkante Chirurgen preisen die Vorteile der neuen Technik, geben aber auch unumwunden den Zugzwang der Anschaffung und natürlich auch Nutzung des teuren Gerätes zu, um gegenüber der „Konkurrenz“ nicht ins Hintertreffen zu geraten. Selbstverständlich muss sich die Anschaffung eines so teuren Gerätes auch rechnen. . . .
        Das halte ich für eine Entwicklung, die wie bereits angesprochen in Zeiten der
        leeren Kassen nicht kritisch genug gesehen werden kann, imho

        Gruss zurück

        M. Pittrof

    • Sehr geehrter Herr Kollege Pittrof,

      Spielball der Politik sind wir nicht wegen der (ohnehin sehr spärlichen) Spezialisierung innerhalb des Fachbereichs. Die beklagte Differenzierung der Zahnärzteschaft begann lange vor Beginn ihrer Spezialisierung: Zahnärzte sind eben nicht alle gleich, nicht gleich im Wissenststand, nicht gleich fähig, nicht gleich interessiert, nicht mit gleicher Praxisstruktur und gleichen beruflichen Zielen. Und natürlich kann nicht jeder alles gleich gut. Dies ist zumindest seit den 80er Jahren nur noch eine Fiktion, und die eher verzweifelte Weltsicht der berufsständischen Körperschaften, die als staatliche Aufsichtsbehörden natürlich gerne eine uniforme und möglichst „durchschnittliche“ Kollegenschaft unter sich wüssten und deshalb „Spezialisierungen“ oder selbst „Praxisbesonderheiten“ gerne verteufeln. Gleichzeitig blüht „unerlaubte, anpreisende Werbung“ allüberall, „berufsunwürdige Selbstdarstellung“ ist seltener Ausnahme als Regel und die Standesregeln kollegialen Umgangs und Anstands kränkeln vor sich hin.

      Dies ist keine Folge der Spezialisierung, dies ist Folge einer Politik, die es sich seit den 70er Jahren zum Anliegen gemacht hat, die (Zahn-)Ärzteschaft von integren „Halbgöttern in Weiß“ zu „Leistungserbringern“, zu „Abzockern“, zu Kaufleuten im Gesundheitswesen zu degradieren. Dem hatte die Standesvertretung nicht wirklich etwas entgegenzusetzen. Nein: im Gegenteil: es blühten die Fortbildungen zur Betriebswirtschaft, zum Praxismarketing, zu „Alleinstellungsmerkmalen“ und zum „Verkaufsgespräch in der Praxis“.

      Man mag das beklagen, ja, ich tue das, aber das ist nicht zu ändern. Doch genau diese Entwicklung führte zu einem Verlassen der Standesgemeinschaft und damit zur Aufsplitterung des Berufsstandes, nicht die Spezialisierung.

      Spezialisierung bedeutet vor allem Effizienz, die Möglichkeit innerhalb eines umschriebenen Tätigkeitsbereiches Wissen, Können und technisches Equipment so einzusetzen, das ein Ergebnis herauskommt, dass die nicht spezialisierten Kollegen sehr viel seltener oder sehr viel schwieriger erreichen können.

      Das wird niemand in Frage stellen können; allein das Kanalisieren dieser Spezialisierung in berufsrechtliche Kanäle lehnten die Kammern mehrheitlich ab: statt Fachärzten, die einen überprüfbaren Weiterbildungskatalog in einem vorgeschriebenen Zeitraum absolvieren, eine Prüfung ablegen und dann ihre Tätigkeit auf ihr Fachgebiet beschränken, versuchte man den Trend durch selbst zuerkennbare Tätigkeitsschwerpunkte, durch Inflationierung, versanden zu lassen. Eine Chance für echte Versorgungsverbesserung war vertan.

      Eine ganzheitliche Zahnmedizin muss vor allem heute der niedergelassene „Allgemeinzahnarzt“ vor Augen haben und er darf sich heute – Gott sei Dank – zur bestmöglichen Versorgung seiner Patienten des einen oder anderen „echten“ Spezialisten bedienen. Er sollte lernen, das ebenso selbstverständlich zu tun, wie der Allgemeinmediziner, der in der Regel heute keine Brillen mehr verschreibt, keine Herzkatheteruntersuchung mehr durchführt oder den durchgebrochenen Blinddarm seiner Patienten operiert (auch wenn sicher viele Allgemeinmediziner das prinzipiell könnten, es zumindest mal während ihrer Ausbildung gelernt haben….).

      Ich als „landzahnärztlicher Generalist“ schätze „echte“ Spezialisten und Fachzahnärzte sehr. Denn ich sähe bei der einen oder anderen transantralen Weisheitszahnentfernung, retrograden Wurzelkanalfüllung palatinal am oberen 7er nach operativer Darstellung unter dem Mikroskop, externen Sinusbodenelevation oder erforderlichen Dysgnathie-Operation im Rahmen einer kieferorthopädischen Therapie einfach alt aus. Nach fast zwanzig Jahren selbstständiger zahnärztlicher Tätigkeit in einer großen Landpraxis bekenne ich: ja, ich bin nicht allwissend und nicht allmächtig. Nicht einmal in einem so kleinen Teilgebiet der Medizin wie der Zahnheilkunde.

      Wenn wir Zahnärzte als Berufsgruppe wirklich nicht weiter „in die Pfanne gehauen werden“ wollen, dann müssen wir uns zunächst von der staatlichen Regulation befreien und Politik, die uns alle betrifft, nicht länger „professionellen Interessenvertetern“ überlassen, die mittlerweile das Maximum an Volksferne in der Geschichte dieser Republik erreicht haben.

      Grüße vom Lande,
      Thomas Weber

      • Lieber Kollege Weber,
        da liegt offensichtlich ein grundlegendes Missverständniss vor!
        Ich selbst bin seit 10 Jahren ausschliesslich endodontisch tätig und das aus voller Überzeugung. Daher bin ich auch keineswegs der Meinung, dass die „Spezialisierungen“ an sich das Problem darstellen. Im Gegenteil der allgemein tätige Kollege sollte bei allen genannten Vorteilen viel häufiger auf den Spezialisten zurückgreifen (wobei ich befürchte, dass wir bis dahin noch einige Zeit warten müssen), dann wären womögl. einige Probleme auch hinsichtlich der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen zu entschärfen. Aber,
        die unterschiedlichen Spezialdisziplinen sollten viel mehr in Kooperation koexistieren als sich in Konkurenz zueinander zu verstehen.
        Der Kollege Herrmann hats schon ganz richtig gesagt/geschrieben. Das Implantat steht nicht als TH-Option statt einer Wurzelkanalbehandlung bzw. Zahnerhalt.
        Das ist auch der Grund warum ich die Formulierung „Feind der Endodontie“ nicht akzeptieren kann. Es stellt meines Erachtens eben genau diesen Missstand dar, dass wir uns gegenseitig auch und vor allem dem Patienten gegenüber in Misskredit bringen um selbst gut darstehen zu können. Dass derartiges Verhalten ein Vertrauen unserer Patienten in den Berufsstand nicht eben erhöht und auch unsere Volksferne nicht verringert, liegt meiner Ansicht nach auf der Hand.

        Gerne lasse ich mir von Ihnen erklären, wie Sie sich eine Befreiung von der staatl. Regulation konkret vorstellen, damit ich Ihnen für den Fall, dass Sie sich standespolitisch engagieren werden auch meine Stimme geben kann.
        Ich sehe nämlich derzeit keine wirkliche Option und verbleibe

        mit kollegialem Gruss

        Marcus Pittrof

  3. Wurzelbehandlung – Ich bin Arzt und Zahnarzt und war 30 Jahre in München als Zahnarzt niedergelassen. Mein Schwerpunkt lag immer auf der Zahnerhaltung, insbesondere durch erfolgreiche Wurzelkanalbehandlungen auch in sehr schwierigen Fällen. Zu diesem Thema habe ich laufend auch Vorträge vor Zahnärzten gehalten und zahllose Artikel in Fachzeitschriften veröffentlicht.
    Osswald sagte am :

    Lieber Ha-Wi,

    das hast Du sehr schön zusammengefasst, auch wenn es in meinen Augen in der Zahnheilkunde durchaus schwierigere Verrichtungen gibt als das Aufbereiten von Wurzelkanälen. Sicher, es gibt dort auch sehr schwierige Fälle, aber der endodontische Normalfall ist doch relativ leicht und schnell lösbar.

    Davon, dass die Volumentomographie die Endodontie voranbringen wird, bin ich noch nicht so überzeigt. Bisher reicht doch die einfache Röntgenkontrolle durchaus aus, um das ganze Elend der „Behandlung einer einfachen Infektionskrankheit in einem seit mehr als 100 Jahren vollständig beschriebenen anatomischen Umfeld“ zu visualisieren. Warum nicht erst einmal soweit kommen, dass man auf einfache und kostengünstige Weise das, was vorher da war, nachher nicht mehr sieht?

    Ein wichtiger Hinweis für die Erklärung für das deutlich zu häufige Versagen der – auch auf höchstem technischen Niveaus durchgeführten – endodontischen Bemühungen fehlt mir: Es ist der Hinweis auf die Borniertheit und Überheblichkeit derjenigen, die in diesem Bereich forschend und lehrend tätig sind. Wenn sie, anstatt lauthals und immerfort „Hurrah Amerika“ zu schreien, einmals nachgelesen und verstanden hätten, was Otto Walkhoff bereits vor mehr als 80 Jahren die Endodontie betreffend gechrieben hat („Die mechanische Aufbereitung ist der Diener der Desinfektion“), wären wir heute sehr viel weiter. Das hat Abermillionen von Patienten Abermilliarden von Zähnen gekostet.

    Vor diesem Hintergrund könnte man – wenn es nicht so traurig wäre – lauthals loslachen, wenn die als modern auftretende Endodontie plötzlich die überragende Bedeutung der sorgfältigen und geduldigen Desinfektion entdeckt (obwohl mich das nach all den Jahren des Streitens natürlich immens freut), wenn sie auch nach wie vor die falschen Methoden und Mittel anwendet. Aber das kommt schon noch.

    Wenn man vor diesem Hintergrund bedenkt, dass der Name Otto Walkhoff in Deutschland nachgerade systematisch verschwiegen wird…..

    Herzliche Grüße

    Rüdiger

    • Rüdiger,

      mag sein, dass es schwierigere Dinge in der Zahnmedizin gibt, was konkret wäre denn für Dich hier zu nennen ?

      Das DVT KANN die Endodontie voranbringen.
      Ob es so sein wird, muss sich zeigen.
      Das Potential ist auf jeden Fall da. Wer genau schaut und kritisch hinterfragt, der kann auch mit den Mitteln bislang hinkommen.
      Dass es de facto aber nicht so ist, sagt schon viel über die endodontische Realität aus.
      Das DVT bietet auf jeden Fall wesentlich härtere Fakten als bisher. Die Ausreden werden weniger werden.

      Und wo du Otto Walkhoff ansprichst.
      Das DVT bietet doch eine hervorragende Möglichkeit, die Wirkung von CHKM eindrucksvoll zu belegen. Noch einmal: Heilung bedeutet nicht nur Schmerzfreiheit, Heilung bedeutet knöcherne Regeneration eines bakteriell bedingten ossären Destruktionsprozesses.
      Hic Rhodos, hic salta !

      Herzliche Grüße

      Ha -Wi

      • Wurzelbehandlung – Ich bin Arzt und Zahnarzt und war 30 Jahre in München als Zahnarzt niedergelassen. Mein Schwerpunkt lag immer auf der Zahnerhaltung, insbesondere durch erfolgreiche Wurzelkanalbehandlungen auch in sehr schwierigen Fällen. Zu diesem Thema habe ich laufend auch Vorträge vor Zahnärzten gehalten und zahllose Artikel in Fachzeitschriften veröffentlicht.
        Osswald sagte am :

        >mag sein, dass es schwierigere Dinge in der Zahnmedizin gibt, was konkret wäre denn für Dich hier zu nennen ?

        Um nur ein Beispiel zu nennen, Ha-Wi:
        Die voraussagbar langristig erfolgreiche festsitzende Versorgung im desolaten Gebiss. Die schließt nämlich die Chirurgie, die Kons, die Parodontologie, die Funktion, die Endodontie und die Prothetik ein, und zwar alles auf sehr hohem Niveau (und in mehreren Bereichen muss man abseits der aktuellen Lehrmeinung behandeln). Sie ist somit die Königin der synoptischen, fachgebietsübergreifend ausgeübten Zahnheilkunde.

        Voraussagbar langfristig erfolgreiche augmentative Implantologie ist auch nicht gerade ohne.

        Was die wissenschaftliche Nutzung des DVDs betrifft, bin ich mit Dir einer Meinung. Wenn man aber z.B. eine große Aufhellung (vielleicht noch verbunden mit einer Fistel, oder auch bei Zustand nach Resektion mit abszedierender Exazerbation) klinisch und im normalen Zahnfilm sieht, die offensichtlich seit längerer Zeit besteht und die in weiten Bereichen als Indikation für die WSR oder gar die Extraktion angesehen wird, die dann aber – ohne die Anwendung von Antibiotika – in vergleichbarer Projektion röntgenologisch knochendicht und klinisch symptomlos ausheilt……….. Warum sollte man dann nicht davon ausgehen können, dass sie in jeder Beziehung vollständig ausheilt? So ist das doch im Allgemeinen mit einfachen bakteriellen Infektionskrankheiten: Wenn es gelingt, die erdrückende Mehrzahl der ursächlich verantwortlichen Bakterien umzulegen, hört die Erkrankung auf zu existieren. Und wenn das nicht gelingt, dann eben nicht. Auch wenn man sich auf den Kopf stellt.

        Noch viel ehrlicher ist im Übrigen die Histologie. Und da gibt es aus den Fünfziger-Jahren des letzten Jahrhunderts sehr eindrucksvolle und eindeutige Studien aus Deutschland und der Schweiz, sogar klinisch prospektive. Die kann man nur heute nicht wiederholen, weil sie von jeder Ethikkommission abgelehnt würden.

        Herzliche Grüße

        Rüdiger

        Herzliche Grüße

        Rüdiger

        • Die Königin einer synoptischen Zahnheilkunde ist für mich die Prävention.
          Sie ist mit Sicherheit auch das schwierigste Teilgebiet der Zahnheilkunde.
          Sie macht (fast) alle anderen Teildisziplinen überflüssig.

          Und sie ist – selbst im 21. Jahrhundert – bedauerlicherweise gegenüber allem anderen deutlich unterbewertet, in jeder Hinsicht, leider auch in der Wahrnehmung der Kollegenschaft.

          Schade eigentlich.

          Grüße vom Lande,
          Thomas Weber

        • Die Argumentation greift zu kurz, Rüdiger.
          Denn verfahrenstechnisch ist das Endergebnis IMMER mehr als die Summe seiner Einzelschritte im mathematischen Sinne.

          Das ändert aber nichts, an der Schwierigkeit der endodontischen Massnahmen.
          Und der Beweis dafür liegt faktisch auf der Hand: Wenn Endodontie nicht schwierig wäre, dann gäbe es nicht die vielen Misserfolge und mediokren Behandlungen. Und dass dem so ist, dass sehen wir doch jeden Tag in den Patientenmündern von aller Welt, in aller Welt.

          Und augmentative Implantologie ist schwierig im Sinne der Erzielung eines sichere und langzeitstabilen Behandlungsergebnisses. Das ist aber nicht Folge der Schwierigkeit der Verrichtung per se, vielmehr Problematik der ungünstigen Ausgangssituation.

          Was das DVT angeht und seine Aussagekraft – wir sind uns einig, dass es in einer Reihe von Fällen, ab einer bestimmten Grösse einer Läsion, eines DVT´s zur Erkennung und zur Dokumentation des Heilungserfolges nicht bedarf.

          Es geht mir aber um genau jene Fälle, in denen das bislang nicht möglich ist.
          Die vergangenen mehr als 50 Jahre haben doch gezeigt, dass die Beweislage auf Grund von Zahnfilmen nicht erdrückend genug war. Hier kann man mit dem DVT ansetzen. Spektakuläre Fälle als Anekdote des Praxisbetriebs kann jeder anführen, aber das reichte und reicht nicht aus.

          Ziel muss es sein, eine lückenlose Dokumentationskette aufzuführen. Und das geht nicht mit OPG und Zahnfilm.

  4. Welcher Parodontologe nennt sich freiwillig „Parodontist“ oder übt beispielsweise den Tätigkeitsschwerpunkt „Parodontie“ aus?

    Aus „Endodontie“ wird Endodontologie, wenn die Desinfektion des Wurzelkanalsystems gelingt.

    Das die Desinfektion der entscheidende Schritt und am meisten nicht beachtete Schritt ist, wird auch richtig dargestellt. [Ironie]Wie kann man da zum Schluss kommen, dass das DVT der Qualitätsverbesserung dient? Ist die Strahlung so hart und hat desinfizierenden Einfluss?[/Ironie]

    Das Geld für den Einsatz des DVTs kann man besser in die Zeit zum Desinfizieren stecken…

    Den nächsten Quantensprung gibt es erst, wenn Lussi sein Desinfektionssystem ans Laufen bekommt.

    Viele Grüße

    Kevin

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