Das SAF-System – ein kleiner Erfahrungsbericht Teil 1

von Oscar von Stetten

Die Idee dahinter ist bestechend. Man kann es einfach nicht anders bezeichnen. Für mich auf einer Stufe mit der Einführung des Dentalmikroskopes, der rNITI, des MTA.

Warum? Weil das System viele Vorteile in sich vereint. Eine schonende, dem Kanalverlauf genau angepasste Aufbereitung. Keine schnelle Rotation unter Scherlast, daher keine Bruchgefahr im herkömmlichen Sinne. Hohlnadelsystem, simultane Spülung möglich. Netzartige Struktur, dadurch extrem flexibel, die Spitze mit Durchmesser 0,2mm , Feilendurchmesser 1,5 mm. Vertikale Hubbewegung  mit einer Amplitude von 0,4mm, raspelt damit von der Kanalwand ab und aktiviert gleichzeitig die Spülung. Das sind die Eckdaten, die einem das Herz höher schlagen lassen. Nimmt man nun noch die Studien zur Hand, alles perfekt. Spricht man mit denjenigen, die diese Studien gemacht haben, bleibt einem das Staunen in den Erzählungen und der Enthusiasmus in Erinnerung. „So saubere Kanäle habe ich noch nie gesehen“ ist einer der prägnantesten Sätze.

Alles, wonach wir immer gesucht haben. Einfach die SAF 4 Minuten in den Kanal halten, das Instrument macht alles von alleine. Debris weg, SmearLayer weg, alles gut. Apikal bis zu 65% bearbeitete Kanalwand.

So waren meine Gedanken, als ich das System recherchierte.

Mitte August gab es einen SAF-Kurs bei Jadent, Wolf Richter hat das System schon seit kurzer Zeit im Betrieb und hat uns wertvolle Tipps gegeben. HenrySchein hat jedem 10 Feilen in die Hand gegeben, wir konnten in aller Ruhe das System an die Grenzen bringen. Nach den ersten drei Feilen war ich ernüchtert. Jahrelang trainierte Reflexe übernahmen die Kontrolle, ich behandelte die SAF wie eine rNITI. Fazit: so geht es nicht. Niemals. Auf keinen Fall. Die Feile verhält sich nicht wie eine konventionelle rotierende Feile. Druck mag die Feile nicht, sie knickt sofort ein. Als die Testfeilen beerdigt waren, wusste ich nicht, was ich von diesem System zu halten hatte. Sicher, die Kanäle der extrahierten Zähne sahen aus wie polierter Speckstein. Glänzend. Aber die Anwendung per se, schon seltsam. Der transparente Zahn ist ein Molar mit C-förmigem Wurzelkanalquerschnitt. Die abgerissenen und verkeilten Fragmente sind zu 100% meiner nicht vorhandenen Erfahrung zu verdanken. Trotzdem fand ich es nicht beruhigend, dass man die Fragmente so verkeilen kann, dass sie nicht wie beschrieben einfach zu entfernen sind, wie beschrieben.

Nun kam Anfang September mein System in die Praxis und voller Zuversicht habe ich meinen ersten Zahn damit behandelt. Mit Handinstrumenten bis ISO 20 den Gleitpfad erstellt, danach die SAF versucht zu verwenden. Versucht? Ja, versucht. Wenn die Spitze der Feile nicht (in meinen Händen) ca. 5-6 mm als Führung im Kanal steckt, geht gar nichts. Also PreFlaring mit einer ProTaper SX. Dann ging es.

Das klinische Protokoll wurde erweitert um das PreFlaring mit der SX. Dann die nächste Hürde…..

Ich habe mir extreme straight-line Zugänge aus Gründen der Zahnhart-substanzerhaltung abgewöhnt, natürlich immer fallindividuell entschieden. Aber es ist nun mal so, dass ich eine ProFile, M2 oder eine TwistedFile auch mal ein bisschen gebogen in den Kanal einführen kann. Das geht mit der SAF nicht. Gar nicht. Die Feile knickt sofort ein und beginnt zu reissen. Also: ein sehr guter straight-line-access ist essentiell. Ohne den wird man mit der SAF schnell gefrustet sein.

Eine Besonderheit des Kopfes RDT3 von RedentNova ist nicht nur die Hubbewegung. Die Feile kann, wenn sie ohne Last ist, auch rotieren. Das ist wichtig, damit die Spitze auch den Krümmungen folgen kann und eine Führungsfunktion übernimmt.  Nun ist es leider so gewesen, dass sich die Feile nicht gedreht hat, weil sie irgendwo klemmte. Damit konnte die Spitze auch Krümmungen nicht folgen und die Feile hat nicht gearbeitet, ist eingerissen oder eingeknickt. Ob eine Stufe präpariert wurde, kann ich natürlich nicht sagen, die behandelten Zähne sind noch im Patienten. Aber ich konnte eine leichte Stufe mit einer Handfeile tasten. Also habe ich begonnen, den Gleitpfad mit der ProFile 04/20 zu formen.

Damit kam zur SX meine klinisch bewährte Gleitpfadsequenz dazu.

Seit dieser Änderung des klinischen Protokolls habe ich keine Probleme mehr mit der SAF. Man bekommt ein Feeling für die Feile und die Kanäle. Inzwischen habe ich sie in mein Aufbereitungsprotokoll eingegliedert und mir ist schon komisch zumute, wenn ich sie nicht einsetze. Inzwischen weniger zum Aufbereiten, mehr zum Spülen, als Finish. Dabei habe ich stets die Studienbilder im Kopf, diese machen einfach ein gutes Gefühl. Und wenn man sieht, was da von apikal hochgespült wird….

Dennoch: die Feile hat Probleme. Und ist nicht für alle Fälle geeignet.

Grosse, ovale Kanäle sind problematisch. Das Prinzip der Feile beruht auf der Tatsache, dass sie gestaucht wird und aufgrund des Rückstellungsvermögens des NiTi wieder in die alte Form zurück will. Nur dann erzeugt die Feile ausreichend Druck auf die Seitenwände und bearbeitet diese. Sind die Kanäle zu gross, dann wird auch keine Arbeit verrichtet. Redent selber sagt, die SAF nicht in Kanälen gleich oder grösser ISO 45 einzusetzen. Was Bände spricht. Und die Indikation ein wenig einschränkt.

C-shaped-Wurzelkanalanatomien oder Isthmen sehe ich auch als problematisch an. Wenn die Feile sich aufgrund ihrer Bauart in einem Überhang verhakt, dann klemmt sie und geht auch nicht unbeschadet wieder raus. Es bleiben kleine Fragmente der Feile in den Kanälen. Es wird zwar propagiert, dass man diese Fragmente einfach wieder rausspült, aber das ist so nicht immer einfach und auch unbedingt möglich. Isthmen sollten, so meine Erfahrung, vorher mit US eröffnet werden, wobei nicht eine ISO 50 gemeint ist. Es reicht, mit einer ISO 20 oder ISO 25 Endosonore einmal zu eröffnen, damit die SAF einen Pfad hat, dem sie folgen kann.

Revisionen

Bei Revisionen muss vorher die komplette konventionelle Sequenz gefahren werden. Danach kann man versuchen, die Guttaperchareste mit der SAF wie in einem Korb nach oben zu transportieren. Kann klappen, muss aber nicht. Manche Sealer sind so hart, dass die SAF einfach machtlos ist. Und manche sind so weich, dass die SAF auch machtlos ist. Mit unpolaren Lösungsmitteln ist sicher mehr möglich, deren Einsatz in der Endodontie wird jedoch sehr kontrovers diskutiert und ich bin mir auch nicht sicher, ob der Kunststoffkragen der SAF das lange aushält.


Aus ergonomischer Sicht ist die Pumpe ein wenig suboptimal. Noch ein Gerät, noch ein Fussanlasser. Der Tank der Pumpe ist NICHT abnehmbar, vielleicht wird das geändert. Es sollte geändert werden, da das unverbrauchte Hypo dann die ganze Zeit über im Gerät steht. Wie wir wissen, ist es ein hervorragendes Oxidationsmittel, was der Haltbarkeit der Pumpen sicher nicht zuträglich ist. Der Zufuhrschlauch nervt manchmal und verhakt sich sehr gerne. Gut ist, dass die Pumpe über einen Akku verfügt und deswegen nicht permanent am Strom hängen muss.


Das ganze Handling ist zumindest bei uns nicht unproblematisch. Die Feile benötigt eine genaue Geschwindigkeit von 5000 UPM. Bei meiner Sirona C4+ ist das gut einzustellen. Leider habe ich nur zwei EL-Motoren an der Einheit, d.h. ich muss die Speicherplätze umschalten und umprogrammieren. Das stört den Workflow erheblich. Glücklich ist, wer eine NaCl-Pumpe in der Einheit hat. Vielleicht kann man das Hypo einfach in einen alten NaCl-Beutel füllen (und fett beschriften und/oder Neongelb markieren!!) und spart sich so die Pumpe. Oder aber die Assistenz bekommt eine grosse Spritze in die Hand und sorgt so für die Spülung. Viele Wege führen nach Rom, wie man es gerne hätte, muss jeder für sich rausfinden. Wie die Empfehlung der 5ml/min Durchflussmenge entstanden ist, kann ich nicht sagen. Aber ich kann es vermuten: es ist die maximale Durchflussmenge, die durch den Spülkragen der SAF passt. Bei einer grösseren Menge geht ein Teil der Spülflüssigkeit nach oben Richtung Arbeitskopf und kann zu Korrosionen führen.


Das klinische Arbeiten ist unspektakulär. Zuerst sortiert man die Kabel und den Schlauch, programmiert die Einheit auf die neue Geschwindigkeit und ist dann bereit. Nun ein Druck auf den Fussanlasser, die Pumpe arbeitet, man versucht die Feile ohne Knick und zu viel Druck in den Kanal zu führen und arbeitet mit leichten vertikalen Bewegungen (laut Dr. Zeppenfeld/Flensburg „und jetzt mach den Specht“) und schaut zu, wie die Feile im Laufe der Zeit immer tiefer in den Kanal sinkt, dabei rotiert und wieder tiefer geht bis nach einer gewissen Zeit die Feile nur noch rotiert, weil sie keine Arbeit mehr an der Wand vollführt.

Moment, versucht die Feile einzuführen? Ja, bei OK/UK Molaren kann das durchaus schon mal problematisch sein, wenn die Mundöffnung nicht allzu viel hergibt.


Die Reinigungswirkung ist unter dem DM schon beeindruckend. Wenn man sieht, was da selbst noch nach 3 min. Einsatz aus der Tiefe hoch schwimmt, das ist schon ein Wort.


Bei komplexeren Anatomien (oder mangelhaften Zugängen) kann es passieren, dass die SAF einfach aufreisst. Bei einem OK-Molaren können so schon mal 3 Feilen das Zeitliche segnen.


Die Bilder der zerstörten Feilen stammen vom Kurs. Wie jedes System kann man auch die SAF falsch einsetzen und bewusst zerstören. Keine Frage. Das geht mit rNiti auch, sogar ohne grössere Probleme.


Nachdem die ersten Einstiegshürden genommen waren, hatte ich Zeit, mir die Arbeitsweise der Feile näher zu betrachten.

Seltsam mutet  an, dass die Spülflüssigkeit sich rein über Kapillarkräfte an der Feile nach apikal hangelt (wenn man im OK behandelt und die Feile nicht zum Erdboden zeigt) Die daraus resultierende Frage ist: wie effektiv ist der Flüssigkeitsaustausch tatsächlich?  Er wird effektiver, wenn man die Feile 5-7mm aus dem Kanal rauszieht und dann wieder einführt. Diese grosse vertikale Bewegung bringt dann den gewünschten Austausch, so wie man es z.B. bei der PUI gewohnt ist. Die Assistenz darf beim Absaugen nicht zu nahe an der Feile sein, da sonst alles NaOCl im Sauger verschwindet, bevor es das Kavum erreicht hat.

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4 Gedanken zu „Das SAF-System – ein kleiner Erfahrungsbericht Teil 1

  1. Sehr geehrter Herr von Stetten,
    herzlichen Dank für diesen ehrlichen Bericht.
    Für mich hört es sich so an, als wäre das, was sich nach der amerikanischen Werbung wie die eierlegende Wollmilchsau anhört, eher geeignet, als letzte Feile zu dienen, nachdem man also mit der eigentlichen Aufbereitung praktisch fertig ist. Und das auch nur für diejenigen, die sich nur um den Infekt in einem kleinen Teilbereich des endodontischen Hohlraumsystems kümmern, weil sie irrthümlich immer noch daran glauben, dass noch sauberere Hauptkanäle, die ja nur 30 % dieses Hohlraumsystems ausmachen, das endodontische Dilemma lösen können.

    Herzliche Grüße

    Rüdiger Osswald

  2. Hallo Hr. Osswald,

    warten wir die bakteriologischen Studien ab, die mit der SAF sicher mal durchgeführt werden.

    Herzliche Grüsse
    v. Stetten

    • Lieber Herr von Stetten,

      wenn man sich – wie das ja für endodontologische Studien nachgerade typisch ist – damit begnügt, Papierspitzen vorher und nachher in die Hauptkanäle zu stecken, um sie anschließend zu bebrüten, werden die Ergebnisse nach menschlichem Ermessen bei saubereren Hauptkanälen naturgemäß auch besser ausfallen. Alles andere wäre schließlich verwunderlich. Doch was, bzw. wem nützt das, wenn der Hund gar nicht in den Hauptkanälen begraben liegt?

      Wenn man, wie Sie es treffend ausgeführt haben, die histologisch-bakteriologischen Studien von Nair und dieser israelischen Arbeitsgruppe bewundert, weiß man, dass das eigentliche endodontische Dilemma nicht in den Hauptkanälen, sondern vielmehr zum einen in der fehlenden Desinfektion des übrigen Hohlraumsystems begründet ist (immerhin ca. 70%), und zum anderen in der fehlenden Behandlung und Ausheilung der bakteriellen apikalen Ostitis. Dass daneben sogar überlebende Bakterien in den Hauptkanälen gefunden wurden, ist dabei doch von nachrangiger Bedeutung.

      Vor diesem Hintergrund frage ich mich (natürlich), warum sie nicht noch mehr von Walkhoff beeindruckt sind, der das, was die Studien von Nair und den anderen Autoren in diesem Jahrtausend zum zweiten Mal belegen, immerhin schon vor 90 Jahren beschrieben hat.

      Herzliche Grüße

      Rüdiger Osswald

      • Hallo Hr. Osswald,

        warten wir die bakteriologischen Studien ab, die mit der SAF sicher mal durchgeführt werden. Alles andere schweift viel zu weit vom Thema ab. Wir beide hatten diese Diskussion schon öfter, und es wird wenig Wert haben, unsere beiden Standpunkte erneut zu diskutieren.

        Herzliche Grüsse
        v. Stetten

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