von Hans – Willi Herrmann
Eine Endo – Patientin aus einer Stadt, etwa 80 km von uns entfernt, berichtete, dass ein ortansässiger Zahnarzt die Praxis verkauft habe, weil er in die Schweiz ginge.
Es stellt sich heraus, dass es ein Kollege ist, bei dem ich einen Teil meiner Assistenzzeit absolviert hatte.
Von Zeit zu Zeit hatte ich ihn auf Fortbildungen getroffen und in den letzten Jahren hatte er zunehmend über die unbefriedigende Situation in der Praxis geklagt.
Aber gleich alle Zelte abbrechen und auswandern ?
Denn nichts anderes ist es ja, was er tut der Kollege, der gegen Ende seines Arbeitslebens noch einmal ganz von vorne anfängt.
Schön ist es ja in der Schweiz. Aber soll man wirklich in ein Land gehen, dessen Bewohner den Grad an Sympathie zu den Deutschen bei Fußballländerspielen in Jubelschreien ausdrücken.
Für die gegnerischen Mannschaften wohlgemerkt.
Gehen sie mal bei einem Fussball – Länderspiel Deutschland gegen Irgendwen in eine Schweizer Kneipe. Der Gegner ist egal, glauben sie mir, jedes Tor wird umjubelt, solange der Torschütze kein Deutscher ist. Und die Schweizer Zahnärzte haben auch nicht umbedingt die beste Laune, im Hinblick darauf, dass immer mehr deutsche Zahnärzte in das Land der Eidgenossen kommen, um Ihnen endlich mal zu zeigen, wie tolle Zahnheilkunde aussieht.
Ich versuche ihn telefonisch zu erreichen, zunächst ohne Erfolg.
Und erwische ihn eine Woche später, bereits in der Schweiz.
“Besser jetzt, mit 55 noch einmal neu anfangen, als in ein paar Jahren, wo gar nichts mehr geht, hier bei uns. Und ich zu alt bin, um noch mal von vorne anzufangen”, sagt er.
“Naja, jetzt mal ehrlich, 55 ist auch nicht unbedingt das Optimum diesbezüglich”, sage ich.
Wie ätzend muss es sein, in diesem unserem Lande, wenn jemand mit 55, nachdem er schon mehr als 25 Jahre in eigener Praxis gearbeitet hat, all dies hinter sich lässt.
Würde man dies erwarten.
Eher nicht.
Eigentlich ist in bundesdeutschen Köpfen, insbesondere in den Häuptern von Politikern drin, dass der Kollege, mit der lässigen Gewissheit, schon längst für seinen Lebensabend genug Mammon angesammelt zu haben, noch die nächsten 10 Jahre locker absitzt, dann seine Praxis meistbietend verhökert als zusätzliches Plus seiner Altersicherung, um sich dann noch häufiger als bisher dem Golfspiel widmen zu können.
Golf hat er aber nie gespielt der Kollege aus der vorderpfälzischen Mittelstadt.
Und das mit der Alterssicherung durch Praxisverkauf ist ein Relikt aus vergangener Zeit.
Heute muss man froh sein, wenn man überhaupt noch ein wenig bekommt für die Praxis.
Und eine immer größerwerdende Zahl von Kollegen bekommt für die Praxis gar nichts mehr.
Warum also der Verkauf ?
Weil dieser Kollege nicht einmal eine gescheite Perspektive mehr sieht für die nächsten 10 Jahre.
“In die Menge müsse er gehen”, sagt sein Steuerberater.
“Implantieren soll er”, sagen die Kollegen, mit denen er befreundet ist.
Beides will er (der sich – unter Professor Motsch ausgebildet – immer als Zahnerhalter gesehen hat) nicht.
Und so ist er gegangen.
Traurig, aber wahr.